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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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schmerzlichen Leere der Welt, wohin sollte er da gehen? Warum sollte er einen bestimmten Ort wählen und nicht einen anderen? Denn wo immer er hinging, Sarah würde nicht dort sein. Sarah würde in Kilnalough bleiben.
    Nach wie vor hatte der Major Hoffnungen, wenn auch inzwischen ein wenig gegenstandslos, dass er jene Vertrautheit wiedererlangen könnte, die bei Sarahs kurzem Besuch in London im Winter zuvor zwischen ihnen bestanden hatte. Manchmal saß er noch immer an seinem Schreibtisch oder im Bett mit einem aufgeschlagenen Buch auf der Brust und träumte minutenlang vor sich hin, selige Tagträume von Sarah unterwegs in London, bei ihm untergehakt, wie sie ihn mit Fragen löcherte; Sarah im Restaurant, wie sie nicht wusste, welches Messer und welche Gabel sie nehmen sollte; bittersüße Träume, Seite um Seite umgeblättert in einem alten Fotoalbum … und er selbst an ihrer Seite, amüsiert, väterlich, wohlwollend und mit ein klein wenig Weltschmerz. Er hatte noch Hoffnung.
    Oft kam sie am Nachmittag ins Majestic. Auf ihre Beziehung zu Edward konnte er sich keinen Reim machen: anscheinend legte sie keinen Wert darauf, mit ihm allein zu sein. Die Gesellschaft des Majors schien ihr ebenso willkommen. Natürlich war die Sarah mit den staunenden Augen, die so aufgeregt alles aufnahmen, was sie in der fremden Stadt entdeckte – diejenige, die ihn so bezaubert hatte –, eine ganz andere als die Sarah in Kilnalough, wo sie ihrer selbst so sicher war. Manchmal hatte sie keine Geduld mit ihm. Manchmal, das musste er sagen, lachte sie über ihn, als fände sie ihn unmöglich (es quälte ihn immer noch, wenn er an den Rosenstrauß und die Pralinen dachte). Es machte ihr Spaß, ihn zu ärgern, aber bisweilen machte ihr auch das Flirten mit ihm Spaß.
    »Sie dürfen meine Hand küssen, Brendan, wenn Sie denn unbedingt wollen, und das wollen Sie ja wohl«, sagte sie zum Beispiel lachend.
    »Nichts könnte mich weniger reizen«, antwortete der Major in so einem Fall brummig und lachte ebenfalls, wenn auch ein wenig gequält (er hatte ein unbestimmtes Gefühl, dass er, wenn er bei ihr etwas erreichen wollte, solche verlockenden kleinen Einladungen ausschlagen musste, obwohl die Anstrengung des Widerstands ihm schwer zu schaffen machte).
    Vor dem Kaminfeuer im Jagdzimmer stand ein altes Ledersofa, ein naher Verwandter desjenigen in Edwards Arbeitszimmer, stramm und knöpfestarrend wie ein Gardeoffizier. Eines Abends, als sie dort saßen (Edward war im Golfclub) und müßig mit einer ganzen Schar neugeborener Kätzchen spielten, die sich im Torfkorb eingenistet hatten, fand sich der Major unvermittelt von Sarah geküsst. Als sie zum Atemholen innehielten, hüpften hochfliegende Gedanken durch das Hirn des Majors wie eine aufgeschreckte Antilope. Er brachte kein Wort heraus. Sarah hingegen sagte nur: »Ihr Schnurrbart schmeckt nach Knoblauch«, und dann sprach sie da weiter, wo sie ein paar Augenblicke zuvor in ihren Kommentaren zum Rennen in Leopardstown innegehalten hatte. Die Bemerkung warf den Major aus der Bahn, aber er sagte nichts. Ganz offensichtlich war er in diesen Dingen ein Wanderer in unbekannten Welten.
    Ebenso kam es aber auch vor, dass sie in eiskalte Wut verfiel, ohne dass er einen Grund dafür ausmachen konnte. In solchen Fällen konnte sie sehr grausam sein. Einmal, als er sich, wenn auch in der dritten Person, über die Ehe und ihren Platz in der modernen Welt ausgelassen hatte, fiel sie ihm brutal ins Wort und sagte: »Sie suchen keine Frau, Brendan. Sie suchen eine Mutter!« Der Major ärgerte sich, denn er hatte überhaupt nicht gesagt, dass er jemanden suche, weder die eine noch die andere.
    »Warum sind Sie nur immer so höflich?«, fragte sie verächtlich, und der Major erschrak, denn er wusste nicht, was falsch daran sein sollte, wenn er höflich war. »Warum geben Sie sich dauernd mit diesen grässlichen alten Frauen ab?
Riechen
Sie denn nicht, wie schrecklich die sind?«, fragte sie, schnitt eine angewiderte Grimasse, und als der Major nicht antwortete, rief sie: »Weil Sie selbst eine alte Frau sind, deswegen!« Und da der Major bei seinem gekränkten und reservierten Schweigen blieb: »Um Himmels willen, schauen Sie mich doch nicht an wie ein ausgestopftes Eichhörnchen!«
    Wenn es wieder einmal zu einem solchen Ausbruch gekommen war, ging der Major tief verletzt zu seinem Zimmer hinauf, und vor dem Spiegel beschloss er dann, dass es vorbei war, dass seine Hoffnungen nur Illusionen gewesen waren.

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