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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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alte Mrs. Rappaport, den Kopf schief gelegt, vor ihnen und lauschte.
    »Bist du das, Edward?«
    »Nein, Mrs. Rappaport, ich bin’s, Brendan Archer.«
    »Ich habe Sie atmen gehört.«
    Die alte Dame trat einen Schritt vor; ihre andere Hand – trocken und altersfleckig – stützte sich auf einen Stock. Sie kam vorsichtig näher, bis sie neben dem Major stand und mit ihren leeren, blicklosen Augen auf ihn heruntersah.
    »Angelas Major«, hauchte sie und streckte die freie Hand aus. »Wo sind Sie, mein Lieber?« Der Major verzog verlegen das Gesicht, doch er ergriff ihre Hand und lenkte sie recht grob (er war immer noch aufgeregt von dem steckengebliebenen Heiratsantrag) zu seinem Scheitel, wo sie einige Sekunden lang verweilte. Aus dem Augenwinkel sah er zu Sarah hinüber. Sie amüsierte sich über seine missliche Lage.
    »Angela wird so froh sein, dass Sie gekommen sind«, murmelte die alte Dame, und ihre Hand begann, zart wie ein Schmetterling, die Gesichtszüge des Majors zu betasten. »Was für ein stattlicher Mann Sie sind, Major!«, flüsterte sie, und ihre Finger glitten über sein Gesicht, als wollten sie Creme verteilen, umrundeten die Augen, kehrten zur Nase zurück und strichen daran entlang, um anschließend über die gestutzten Borsten seines Schnurrbarts hinunter zum Kinn zu fahren. Dort hielt sie neuerlich inne, das Kinn des Majors immer noch sanft mit Daumen und Zeigefinger gefasst, und lauschte.
    »Sie sind nicht allein. Das ist nicht Angela, oder?« Ihre Hand löste sich vom Gesicht des Majors und tastete sich mit langsamen, halbkreisförmigen Schwüngen immer näher an Sarah heran. Der Major erhob sich. Sarah blickte mit angewiderter Miene auf zu Mrs. Rappaport, wie hypnotisiert von den knochigen, diamantenbesetzten Fingern, die nach ihr griffen.
    »Da ist niemand, Mrs. Rappaport«, sagte der Major brüsk und ergriff sie beim Ellenbogen. Doch sie schüttelte seine Hand ab und kam mit unbeirrt weiterforschenden Fingern weiter auf Sarah zu. Jetzt war Sarah wirklich erschrocken, hielt den Atem an, konnte nicht mehr weiter zurückweichen.
    »Kommen Sie. Ich führe Sie zum Kamin.« Er packte die alte Dame entschlossen am Arm und zog sie fort, wobei sie noch immer forschend um sich griff. Auf dem Weg durch den Salon senkten sich Mrs. Rappaports Mundwinkel, und eine einzelne Träne kullerte ihr über die gepuderte Wange. Als er sie am Feuer abgesetzt hatte, eilte der Major zurück zum Sofa und hoffte, dass er mit dem begonnenen Antrag fortfahren konnte. Aber Sarah war nicht mehr da.
    Die hohen Fensterscheiben des großen Salons hatten schon eine schwarzblaue Färbung angenommen, doch die Damen waren so sehr in ihr endloses Whistspiel vertieft, dass sie nicht auf die Idee gekommen waren, Murphy oder eins der Mädchen zu bitten, die Vorhänge zu schließen und damit der in den Raum hineinflutenden Nacht Einhalt zu gebieten. Hoch oben, unter der mit Rosen, Lorbeerkränzen, Bourbonenlilien und dreizackigen Kronen verzierten Stuckdecke, flatterte ein verirrter Spatz hilflos von einer dunklen Scheibe zur anderen. Zusammengesunken in seinem Sessel grübelte der Major, nicht minder hilflos, über Sarahs merkwürdiges Verhalten nach. An diesem Nachmittag war sie noch spöttischer und kapriziöser gewesen als sonst. Genauer gesagt hatte sie zwei Bemerkungen fallenlassen, von denen er nicht wusste, wie er sie deuten sollte: »Sie wären ganz mein Fall, Brendan, wenn wir nur mehr gemeinsam hätten«, und ein paar Minuten später: »Wie wünsche ich mir meinen Mann? Ich hätte gern jemanden, der genau so ist wie Sie, Brendan, aber er müsste Köpfchen haben«. Erhöhte oder verminderte sich damit die Chance, dass sie seinen Antrag annahm?
    Er seufzte. Bald war Abendessenszeit. Er versuchte zu entscheiden, ob er hungrig war oder nicht, aber selbst auf diese Frage wusste er keine Antwort. Im Vergleich zu seinen Gefühlen für Sarah war alles andere bedeutungslos. Kreischen und Gelächter, irgendein Vorfall am Whisttisch, weckte die Echos in dem riesigen Raum. Der Spatz unternahm einen weiteren flatternden Fluchtversuch und prallte erneut gegen das dunkle Glas. Dann herrschte Stille, und man hörte nichts als Flügelschlagen und kurz darauf schnelle, schwere Schritte, die der Major mittlerweile schon von fern erkannte. Vor seinem inneren Auge sah er, wie die glänzenden Lederschuhe mit den taubenblauen Gamaschen immer lauter über die Fliesen im Flur klackten. Gleich würde Edwards massige, elegant gekleidete Gestalt

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