Troubles (German Edition)
Sein Zimmer war ungemütlich, in der Empire-Bar wimmelte es von Katzen, alle übrigen Räume des Hotels (von denen es natürlich mehr als genug gab) schienen ihm irgendwie ungeeignet. Er wusste nicht recht warum. Immer gab es irgend ein Detail, das ihm missfiel. Er warf immer nur einen Blick hinein und wusste, dass sie nicht das Richtige waren, ohne dass er sich im Einzelnen Rechenschaft über die Gründe ablegte. Aber dann geriet er an eine Tür im zweiten Stock, die er noch nie zuvor geöffnet hatte – und fand genau wonach er suchte.
Es war eine Wäschekammer, lang und schmal und ziemlich dunkel. Überall lagen Laken und Kopfkissen. Wolldecken, Hunderte von Wolldecken, stapelten sich an beiden Wänden bis zur Decke; ohne Zweifel stammten sie noch aus den alten Zeiten, als jedes Zimmer im Hotel belegt war. Trocken war es hier auch, und ziemlich warm, und das war ein großer Vorteil, jetzt, wo es empfindlich kühl geworden war. Zu bestimmten Tageszeiten herrschten geradezu tropische Temperaturen, weil der Hauptkamin aus der Küche hinter einer der Wände verlief. Aber das machte dem Major nichts aus; er zog einfach seine sämtlichen Sachen aus und legte sich nackt auf einen Stapel Decken, las in einer Zeitschrift und schwitzte sanft vor sich hin, während er an einem Whisky-Soda nippte, den er den Katzenpfoten der Empire-Bar entrungen hatte. Es war himmlisch. Niemand kam je hierher (außer einmal, als Edward, der anscheinend ein Geräusch gehört hatte, den Kopf durch die Tür steckte, beim Anblick des nackten Majors ein überraschtes Schnauben ausstieß und eilig den Rückzug antrat). Binnen kürzester Zeit hatte er sich ein großes, warmes, ein wenig staubiges Nest aus Wolldecken und Kissen eingerichtet.
Wenn er tagträumend in diesem Nest lag, malte er sich manchmal aus (allerdings ohne dass er sich dabei unschickliche Gedanken gestattete), Sarah läge ebenfalls dort, nackt und sanft vor sich hinschwitzend wie er. Was für eine köstliche Vorstellung! Ohne dass er sie fragen musste wusste er, dass sie es ebenso genießen würde wie er. Er verstand sie so gut, wenn sie nicht da war; Schwierigkeiten hatte er nur, wenn sie tatsächlich zusammen waren. Sicher würden sie sich im Lauf der Zeit besser aneinander gewöhnen. Bis dahin, vor allem in der Gluthitze um die Mittagszeit und am späten Nachmittag (mit Ausnahme der Tage, an denen die Köchin beschloss, die Bratenreste vom Vortag kalt zu servieren), lag Sarah, angenehm substanzlos, nackt und wohlig neben ihm in seiner Mulde aus staubigen Kissen.
Ein- oder zweimal gelang es ihr sogar, gleichzeitig in der Wäschekammer an seiner Seite zu sein und unten (Fleisch und Blut, Knochen, Knorpel, Muskeln, Schleimhaut und was es sonst noch alles gab) mit den alten Damen und womöglich auch mit Edward Whist zu spielen – denn nachdem Edward die Whistrunde vor einiger Zeit verlassen und sich bei Wind und Wetter auf dem Schießstand aufgehalten hatte, war er neuerdings rückfällig geworden und mischte nun wieder mit ebenso großem Feuereifer wie die alten Damen Karten und teilte sie aus. Aber in der Regel verblassten die Phantasiebilder in der Gegenwart von Fleisch und Blut. Außerdem versetzte ihn der Gedanke an Edward in Unruhe. Also schlüpfte er, wenn er wusste, dass Sarah da war, in seine Kleider, ging nach unten und sah ihnen bei ihrem Spiel zu.
Wenn Sarah zugegen war, wählte Edward sie gern als Spielpartnerin; »die alte Firma« nannte er das. Dann gaben sich beide sehr ausgelassen, kommentierten ihre Karten mit gespielten Trauer- oder Freudenschreien und stachelten sich gegenseitig zu allerlei Kapriolen an. In dieser Stimmung brachte Edward die Damen oft zu Heiterkeitsausbrüchen, und sie behandelten sogar Sarah nicht ganz so unterkühlt wie sonst. Der Major lachte natürlich auch über Edwards Scherze, aber seine Heiterkeit war nicht echt. Er amüsierte sich nur selten. Während all dem thronte Mrs. Rappaport grimmig auf ihrem hochlehnigen Stuhl am Feuer und verzog keine Miene.
Mrs. Rappaport hätte ohne Zweifel einen düsteren Schatten auf das Vergnügen geworfen, hätte das Whistfieber nicht gar so heftig gewütet – aber man gewöhnte sich an ihre Anwesenheit. Außerdem saß sie immer ein wenig abseits von den anderen. Eines Tages sorgte sie allerdings doch für einige Aufregung und empörte Aufschreie, denn man bemerkte, dass wie durch Zauberei wieder eine Katze auf ihrem Schoß aufgetaucht war. Auch diesmal war es ein Rätsel, wie sie dorthin gelangt
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