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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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(»die Schneiderpuppe«, wie der Major ihn neuerdings zu nennen pflegte) mit Seidenkrawatte, schneeweißem Hemd und seidenem Einstecktuch in der Tür erscheinen. Er würde mechanisch in Richtung der Damen lächeln, die wahrscheinlich zu beschäftigt waren, um ihn zur Kenntnis zu nehmen; vielleicht würde er auch einen fragenden, ungeduldigen Blick auf den Major werfen, als überlege er: »Was ist bloß los mit dem Burschen?«
    Aber Edwards Kragen baumelte nur noch an einem Faden und war ganz von der Krawatte gelöst, deren Knoten auf Rosinengröße zusammengezurrt war. Das Hemd war zerfetzt und schmutzig; ein Revers des Jacketts hing, an der Naht abgerissen, hinunter zur Taille; die Hose war ebenfalls schlammbespritzt, und die eine Gamasche flatterte wie ein verletzter Vogel über dem Schuh. Der andere Schuh hatte seine Gamasche ganz verloren. Auf einem der beiden markanten Wangenknochen Edwards wölbte sich eine dunkle, dick geschwollene Beule; Blut sickerte aus einem Mundwinkel, und unter der Nase klebte eine schwarze, geronnene Kruste. Er reckte eine geballte Faust in Richtung Major, starrte einen Augenblick lang mit irrem Blick in den Raum, dann machte er kehrt und verschwand in die Richtung, aus der er gekommen war. Wieder hallten die Schritte draußen auf dem Flur, nur dass sie diesmal leiser wurden. Die Damen hatten nichts bemerkt.
    Der Major sprang auf und eilte Edward nach. Er fand ihn in seinem Arbeitszimmer, wo er sich, den Rücken zur Tür, im Spiegel musterte. Von hinten wirkte sein Jackett elegant wie immer; man sah, dass seine Brust sich heftig hob und senkte, aber er atmete lautlos. Als er den Major eintreten hörte, wandte er sich um und fuchtelte noch einmal mit der geballten Faust.
    »Kleinen Spaziergang gemacht«, sagte er schroff. »Zwei Männer wollten mich überfallen.«
    »Lieber Himmel! Wo?«
    »Auf dem Weg vom Strand, etwa eine Meile von hier.«
    »Warten Sie, ich hole Ihnen einen Drink!«
    Der Major goss Whisky in ein Glas und reichte es Edward. Der ergriff es mit zitternden Fingern und leerte es in einem Zug wie ein Verdurstender. Dann setzte er sich, sprang aber sofort wieder auf und lief auf und ab, immer noch die geballte Faust in Richtung Major erhoben.
    »Jemand wollte Sie ausrauben?«
    »Keine Ahnung. Kann gut sein, dass sie mich umbringen wollten. Es war merkwürdig … Nicht ein Wort! Sie haben kein einziges Wort gesagt. Keine Drohungen, keine Beschimpfungen, keine Vorwürfe … Nur schwer geatmet, ab und zu ein Keuchen im Handgemenge. Ich konnte nicht mal erkennen, wie die Kerle aussahen. Einer war ein großer Mann mit zerlumpter Kleidung, und im Kampf habe ich gehört, wie etwas zerriss … und er roch irgendwie nach Dreck und Torfqualm … aber so riechen sie schließlich alle. Es gibt nur eins, was ich mit Sicherheit über ihn sagen kann. Kommen Sie hierher ans Licht und sehen Sie selbst.«
    Edward war stehengeblieben und reckte die fest geballte Faust unter die Öllampe. Neugierig ging der Major hinüber. Als Edward langsam die Finger löste, sah er in seiner Handfläche ein Büschel roter Haare.
    »Nicht dass das wirklich weiterhilft«, lachte er. »Ich kenne mindestens zwei Dutzend Männer hier in der Gegend, die solche Haare haben.« Jetzt, wo er bei der Lampe stand, sah der Major, dass er sehr bleich war. Aber er sprach weiter mit fester, geradezu heiterer Stimme: »Die muss ich dem Gauner ausgerissen haben. Habe es erst gemerkt, als ich wieder hier war.«
    Die Zeit brachte keine Entspannung der Lage – ganz im Gegenteil. Kaum ein Tag verging jetzt ohne einen Affront durch die Einheimischen: ein Ladeninhaber, der einen bewusst übersah, ein Kind, das einem die Zunge herausstreckte, ohne dafür von seinen Eltern getadelt zu werden, eine Tür, die einem nicht aufgehalten wurde, ein Platz, den einem niemand anbot, während man darauf wartete, bedient zu werden … Kleinigkeiten vielleicht, aber wenn man bedachte, wie zuvorkommend die Menschen in Kilnalough
früher
gewesen waren! Kurz gesagt, es war zermürbend. Wer wollte Miss Staveley da tadeln, wenn sie den kichernden Verkäuferinnen bei Finnegan eine kräftige Gardinenpredigt hielt?
    Die Damen aus dem Majestic wagten sich nicht mehr ohne Begleitung nach Kilnalough; zu wehrlos war man dort Kränkungen ausgesetzt. Wenn eine von ihnen etwas brauchte, ein Knäuel Wolle oder eine Dose Pfefferminzbonbons vielleicht, oder etwas aus der Drogerie – Riechsalz oder Sennesblätter oder Lavendelwasser –, wurde das Projekt am

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