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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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tröstete er sich noch mit dem Gedanken, dass Sarah vielleicht vergessen hatte, dass sie zurückkommen wollte, und dass sie beklommen an irgendeinem anderen Ort des Hotels auf ihn wartete. Aber der Gedanke überzeugte nicht. Es gab keinerlei Grund dafür. Das war also erledigt.
    Er nahm den Gang, der von Edwards Arbeitszimmer fortführte, und folgte ihm blind; plötzlich spürte er einen Heißhunger auf Süßes. Er hatte eine Tafel Schokolade in der Tasche. Gierig verschlang er sie. Doch die Säure fraß sich weiter in seine Seele.
    In diesem Zustand unerträglicher Erregung wählte er eine Route, die er sonst nie ging – durch eine schmutzige Bar, die keiner je aufsuchte, und von da durch eine Tür wie eine Schranktür, die auf eine nackte Holztreppe führte. Ihm war zumute, als habe man ihm bei lebendigem Leib die Haut abgezogen; der Gedanke, jetzt einem Menschen zu begegnen, war ihm unerträglich. Ein einziges banales Wort, und er würde schreien vor Schmerz.
    Die Treppe führte nach oben zu einem runden, vielfenstrigen Türmchen; der Fußboden bestand aus blanken Bohlen, und es war nichts darin außer einem holzgeschnitzten Bild von einem Löwen und einem Einhorn, das wurmstichig am Nagel hing. Es roch stark nach Kohlsuppe, und irgendwie schien dieser Geruch zu der Stille dazuzugehören.
    Eine weitere Tür führte zu einem überdachten Laufgang, der über dreißig Meter in luftiger Höhe zu einem zweiten, identischen Türmchen führte. Unten lagen im feuchten Schatten die Überreste eines Steingartens. Vorsichtig wagte der Major sich auf diesen Gang hinaus, prüfte jede einzelne Planke mit dem Fuß, bevor er mit seinem ganzen Gewicht darauftrat. Es gab keine Fenster. Lattenroste mit Äpfeln vom Boden bis zur Decke ließen ihm gerade noch genug Platz um hindurchzuschlüpfen. Der Apfelgeruch war überwältigend. Er nahm einen in die Hand, schnüffelte an der verschrumpelten wachsigen Schale, und irgendwie war dieser Herbstgeruch ihm ein Trost. Der Turm auf der anderen Seite des Ganges war genauso leer wie sein Gegenstück drüben. Stufen führten von dort zu einer offenen Veranda, und dort stand ein Mann, Ellenbogen auf das Eisengeländer gestützt, und rauchte eine Zigarette. Es war der Hauslehrer.
    »Hallo.«
    Der Hauslehrer wandte sich zu ihm um und nickte ihm zu, ohne Anzeichen von Überraschung. Er trug schlecht geflickte Knickerbocker und ein Tweedjackett mit ausgebeulten Taschen, das ihm bis fast an die Knie reichte. Der Major konnte sich nicht erinnern, dass er ihn gesehen hatte, seit der Unterricht für die Zwillinge wieder eingeschlafen war. Man sah ihn überhaupt nur selten im Hotel. Seine Mahlzeiten nahm er anderswo ein, vielleicht mit den Dienstboten. Vermutlich kochte er nach wie vor das Schafskopf-Stew für die Hunde. Wenn er noch andere Aufgaben hatte, dann kannte der Major sie nicht. Wahrscheinlich hatte man ihn einfach in dieser entlegenen Ecke des Hauses vergessen, und hier lebte er nun still vor sich hin und wartete auf bessere Zeiten.
    »Sie kommen jeden Abend um diese Zeit her«, sagte der Hauslehrer.
    Der Major war zu ihm auf die Veranda getreten, und als er sich umsah, wusste er auch wieder, wo er war. Unten war ein gepflasterter Hof mit Gerümpel und voll mit totem Laub, obwohl kein Baum in der Nähe war. Gleich um die Ecke musste die Hintertür der Küche sein. Jenseits, auf der anderen Seite der Mauer, wohnten die Hunde, gelangweilt wie Haremsdamen, und warteten, dass jemand mit ihnen spazierenging. Unmittelbar unter der Veranda gähnten vier riesige, übelriechende Mülltonnen. Eine Anzahl alter Frauen ganz in Schwarz durchwühlte diesen Tonnen mit Fingern dürr wie Hühnerkrallen; um Kopf und Schultern hatten sie schwarze Schals geschlungen, die ihre Gesichter verdeckten.
    »Sie suchen nach Essen. Jeden Abend kommen sie bei Einbruch der Dunkelheit vom Strand herauf – von dort kann man leicht hereinkommen, wenn nicht gerade Flut ist. Ich habe Mr. Spencer darauf hingewiesen, aber er hat nichts unternommen.«
    Der Major schaute hinunter zu den schwarzgewandeten Frauen und roch dazu das Aroma der Zigarette des Hauslehrers. Ein schriller, mit einzelnen Worten geführter Streit war zwischen zwei Frauen um ein fettiges Stück Zeitung mit Fleischresten und Knochen entbrannt. Der Major sah zu und dachte dabei voller Verzweiflung: »Sie liebt mich kein bisschen. Sie liebt mich kein bisschen.«
    Unten hatten die Frauen sich geeinigt. Eine zog sich zurück, hockte sich auf den Boden, schlug das

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