Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
Vom Netzwerk:
Zugverbindungen, Hotelunterkünfte und Schifffahrtslinien, Fragen, von denen er sich gar nicht mehr erinnern konnte, dass er sie gestellt hatte. Pflichtbewusst las er ihn zweimal komplett durch, doch schon fünf Minuten später konnte er sich an kein Wort mehr erinnern. Inzwischen war es fast schon Ende November. Eiskalte Luft wehte durch die Räume und Gänge des Majestic und fuhr ihm mit frostigem Atem in die Hosenbeine, wenn er im Salon saß.
    Nach einigem Zögern schrieb er an Sarah und fragte, ob sie sich treffen könnten, um über alles zu reden, aber sie antwortete nicht. Daraufhin schrieb er ihr einen weiteren Brief, in dem er ihr erklärte, dass, was immer sie an Tugenden besitzen möge, Beständigkeit nicht dazu zähle (aber das habe sie ja auch nie behauptet). Der einzige Schluss, zu dem er kommen könne, sei, dass sie wohl eine altmodische Kokette sei, und das sei natürlich vollkommen in Ordnung, wenn sie es so wolle. Kurz darauf sandte er einen dritten Brief, in dem er den vorangegangenen zurücknahm, den er, wie er zu seinem Bedauern sagen müsse, im Zustand der Verbitterung verfasst habe. Doch auch diese beiden wurden mit keiner Antwort gewürdigt, und so dachte er: »Es waren Briefe, in denen ich mich allein mit mir selbst gestritten habe. Sie wird mich für verrückt halten.« Und er nahm sich vor, ihr nicht mehr zu schreiben. Eines Morgens in den letzten Novembertagen überwältigte ihn, als er sich ankleidete, eine tiefe Niedergeschlagenheit, und einer nach dem anderen fielen die Knöpfe von seinem Hemd ab wie die Blätter von einer sterbenden Pflanze.
    Auch für Rover wurden die Zeiten härter, denn er verlor seine Stellung als Liebling im Hundeharem. Nach und nach erblindete er; seine Augen waren nun milchigblau, und bisweilen lief er gegen Möbelstücke; wenn er zu Füßen der Whistspieler saß, strömte er einen immer stärkeren Verwesungsgeruch aus. Wie der Major war auch Rover immer gern von einem Zimmer zum nächsten getrottet, war bald auf dieser, bald auf jener Etage des Hotels auf den Gängen patrouilliert. Doch wenn er jetzt die Treppen erklomm, um in den oberen Etagen umherzuschnüffeln, stürzte sich unerbittlich die Katzenbande auf ihn und scheuchte ihn bis zur Erschöpfung. Mehr als einmal erlebte der Major, wie er in Panik, keuchend, kraftlos, eine Treppe heruntergepoltert kam, auf der Flucht vor einer Bedrohung, die oben in den Schatten lauern musste. Bald war es soweit, dass er knurrte, wann immer er einen Schatten sah … dann, als mit dem Schwinden seines Augenlichts die Schatten immer häufiger wurden, sprang er selbst im hellsten Tageslicht plötzlich auf und bellte heftig, von gnadenlosen Albträumen gepackt. Egal wie weit er die Augen öffnete, kam das Dunkel, in dem die Katzen lauerten, täglich ein wenig näher.
    Er teilte sich seinen Platz jetzt mit einem anderen Hund, den man dazu vom Hof geholt hatte, einem Afghanen mit spindeldürren Beinen und eleganten goldenen Locken. Nach und nach ging die Zuneigung, die einst Rover gegolten hatte, auf dieses Tier über. Zugegeben, er hatte ein paar schlechte Angewohnheiten. Wenn es einem gelang, trotz aller Zugluft nach dem Mittagessen in einem Sessel einzuschlafen, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass man binnen Kurzem von einer warmen, feuchten Zunge geweckt wurde, die einem die Wangen leckte – aber manchen von den Damen machte das anscheinend nichts aus. Und außerdem: Im Vergleich zu Rover duftete er wie eine Rose.
    Der Dezember kam, und etwas Seltsames geschah im Majestic: in einem gleichmäßigen, dünnen Rinnsal trafen mehr Gäste ein. Es war immer wieder einmal der eine oder andere gekommen oder gegangen; jemand war in Kilnalough gestrandet und sah sich gezwungen, über Nacht zu bleiben, bevor er am Morgen weiterreiste. Doch jetzt nahm die Zahl der alten Damen (und es gab sogar ein oder zwei alte Herren) spürbar zu. Der Major brauchte eine ganze Weile, bis ihm aufging, weswegen sie kamen … Weihnachten! Aber unwillkürlich stellte sich der Gedanke ein, dass sie, statt auf frohe Weihnachten zu hoffen, lieber froh sein sollten, wenn der Kasten ihnen nicht über dem Kopf zusammenstürzte. Natürlich hatten sie wahrscheinlich eine gewisse Vorstellung davon, was sie erwartete. Sie hatten vielleicht gehört, dass das Hotel nicht mehr das war, was es einmal gewesen war; aber die Gewohnheiten eines ganzen Lebens ändert man nicht leicht. So viele inzwischen in die Jahre gekommene Menschen verbanden ihre wenigen glücklichen

Weitere Kostenlose Bücher