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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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gemacht – mit dem Ergebnis, dass man sie, wären ihre Gesichter ernster und kummervoller gewesen, für die eleganten Töchter aus der Inzucht eines irrsinnigen spanischen Königs hätte halten können.
    »Es ist Oma. Sie ist so schrecklich störrisch. Sie will einfach nicht nachgeben.«
    »Aber was soll ich da machen?«
    »Bitte kommen Sie und versuchen Sie es, Brendan. Das
müssen
Sie! Es ist zu peinlich. Alle werden sich kranklachen …«
    Widerstrebend kam der Major mit; er wollte zugegen sein, wenn Sarah eintraf. Nach einem kurzen Blick nach draußen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht schon dort stand, folgte er Charity nach oben zu der Zimmerflucht, die Mrs. Rappaport im ersten Stock bewohnte. Die alte Dame saß kerzengerade vor ihrer Frisierkommode, und bei ihr stand verlegen ein Dienstmädchen.
    »Also, Mrs. Rappaport, was höre ich da, Sie wähnen sich in Gefahr? Eine solche Geschichte habe ich ja in meinem ganzen Leben noch nicht gehört! Ich versichere Ihnen, es gibt keine Menschenseele hier, die Ihnen auch nur ein Haar krümmen will.«
    Die alte Dame trug ein langes Abendkleid aus schwarzem Samt, ein Kleid (hatte der Major sich erzählen lassen), das zu ihrer Aussteuer gehört hatte und von dem sie immer gefunden hatte, dass sie es nicht genügend getragen habe; für das indische Klima war das Kleid vollkommen ungeeignet, doch bis sie und ihr Mann wieder in die gemäßigteren Breiten der britischen Inseln zurückgekehrt waren, war ihre Jugend verflogen gewesen und damit auch die Mehrzahl der geselligen Ereignisse, zu denen ein solches Kleid schicklich gewesen wäre. Erstaunlicherweise passte es ihr, obwohl es nie geändert worden war, noch immer wie angegossen (anders als der Anzug des armen Edward). Dies ließ sich nur durch die gnadenlose Art, in der sie stets aufrecht saß, erklären, durch den konsequenten Verzicht auf jeglichen Luxus. Es war ein merkwürdiger Gedanke, dass die Proportionen ihres Körpers, verborgen unter all dem Samt, unverändert waren, die Proportionen, die, so musste man vermuten (es konnte kaum ihre Mitgift gewesen sein), General Rappaport einst unwiderstehlich fand.
    Das Dienstmädchen, Faith und Charity blickten ihn alle drei erwartungsvoll an, warteten darauf, dass er ein Wunder wirkte. So wandte er denn den Blick von dem glitzernden Diamantanhänger ab, den die alte Dame um den verschrumpelten Hals trug, und betrachtete mit einem Seufzer das abgeschabte braune Pistolenhalfter, das sie sich um die samtene Taille geschnürt hatte. Er zog einen Stuhl heran, setzte sich ihr gegenüber und versicherte ihr noch einmal beschwichtigend, dass keinerlei Gefahr bestehe, wirklich nicht die geringste. Und für den Fall, dass es doch gefährlich werde, sei ein ganzes Aufgebot junger Polizisten unter den Gästen. Da müsse ein Shinner nur einmal an der falschen Stelle niesen, und er werde schon sehen! Schon im nächsten Moment werde er sich mit Handschellen ans nächste Klavier gefesselt finden.
    »Jetzt seien Sie doch mal ver
nünf
tig, Brendan«, flehte Faith, den Tränen nahe. »Sie hat doch überhaupt keine Ahnung, wovon Sie reden. Können Sie nicht
ein
mal streng sein? Das Fest ist vorüber, bevor wir überhaupt jemanden gefunden haben, der mit uns tanzt …«
    »Hör mal, ich tue, was ich kann«, entgegnete der Major gekränkt. »Und wenn du mich dauernd unterbrichst … Ihr könntet beide nach unten gehen und stattdessen Miss Archer heraufschicken. Die weiß, was zu tun ist, würde ich vermuten. Oder Mrs. Roche, wenn ihr Miss Archer nirgendwo findet.«
    Das ließen die Zwillinge sich nicht zweimal sagen. Sie zwängten ihre Krinolinen durch die Tür und hüpften dann wie große Ballons die Treppe hinunter, drei Stufen auf einmal. Der Major wandte sich wieder Mrs. Rappaport zu. Nur wenig von der Außenwelt drang dieser Tage noch zu ihr durch, aber wenn es doch einmal geschah, dann pflegte es ihre Gedanken zu beherrschen. Da war es mehr als bedauerlich, dass sie sich, als jemand ein oder zwei Tage zuvor in ihrem Beisein von den »Unruhen« gesprochen hatte, in Gedanken zu gottweißwelchem einsamen Vorposten in der indischen Einöde zurückversetzt gefühlt hatte, und die lärmende, aufgebrachte, entsetzlich gefährliche Meute der Einheimischen drang schon zum Tor herein; man hatte die Frauen bewaffnen müssen, ihnen den Umgang mit der Waffe beigebracht und ihnen eingeschärft, dass sie die letzte Kugel für sich aufheben mussten. Jetzt, sechs Jahrzehnte später und am ersten

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