Troubles (German Edition)
unverständliche Bemerkungen und wirkte triumphierend und unbehaglich zugleich im Klammergriff seines Fracks. Der Major fürchtete immer noch, dass dieses Triumphgefühl voreilig war. Die Auswahl der Gäste war nicht recht bedacht worden, denn dank der Hilfstruppen gab es zwar ein großes Angebot an jungen Männern, doch die jungen Damen waren knapp. Die Zwillinge, erhitzt und beschwingt, wurden zu jedem Tanz aufgefordert. Auch Viola O’Neill hielt unter den Argusaugen ihrer Eltern diskret Hof und flirtete mit drei oder vier jungen Männern zugleich. Selbst Sir Joshuas Töchter konnten über Mangel an Aufmerksamkeit nicht klagen; ihre langen Pferdegesichter waren stets zu ihrer Mutter hingedreht, von wo sie sich Ermunterung und Rat erhofften. Die Mutter blickte, eine ältere, faltigere Variante desselben Gesichts, zurück mit fürsorglichem Lächeln und nickte aufmunternd. Und dieses Pferdegesicht – vermerkte das kritische Auge des Majors, während er sich mit elastischen Knien und der geradezu hysterischen Miss Staveley im Foxtrott drehte –, genau diese langen Züge sah er immer und immer wieder bis in die Tiefe des glitzernden Ballsaals, als spazierten die Smileys durch ein gigantisches Spiegelkabinett, von uralten Männern und Frauen bis hin zu den kleinsten Kindern. Das war das Antlitz des angelsächsischen Irland, der protestantischen Aristokratie mit ihrer Inzucht, das Gesicht, das, wobei es sich im Laufe der Zeiten zu einer eigenen blühenden Spezies entwickelt hatte, nun schon seit fast fünfhundert Jahren Irland beherrschte: das dünne blonde Haar, die zu eng beieinanderstehenden Augen, die lange Nase und die vorstehenden Zähne. »Ripon hat gut daran getan, im biologischen wie in manch anderem Sinne, als er Máire Noonan zur Frau nahm.«
Wären doch nur mehr junge Leute dagewesen! Zweifellos war es diese Abwesenheit von Jugend, die der Gästeschar etwas von einem Wachsfigurenkabinett gab, von Museumsstücken, die nichts mehr mit der Gegenwart, dem Getümmel der modernen Welt von 1921 zu tun hatten. Der Major warf einen Blick seitlich vorbei an Miss Staveleys Schultern, wie sie sich hoben und senkten. Die interessanten, attraktiven Besucher aus dem Ausland waren nicht mehr zu sehen. Selbst die bezaubernde Miss Bond, die ihn vorhin im Foyer fasziniert hatte, war verschwunden.
Er dachte wieder an die Männer von den Hilfstruppen und sah sich besorgt nach ihnen um; sie hatten sich in der Nähe des Buffets niedergelassen und tranken in rauen Mengen, wurden zusehends lärmender und lästiger. Aber jetzt waren sie auf ein lustiges Spiel gekommen: Wenn keine jungen Damen zum Tanzen da waren, na, dann würden sie eben mit den älteren tanzen. Als der nächste Walzer begann, kam ein halbes Dutzend von ihnen herüber zu ebenso vielen alten Damen, verneigte sich überschwänglich und schlug die Hacken zusammen. Die Damen blickten misstrauisch drein. Sie dachten vielleicht daran zurück, wie genau diese oder vergleichbare junge Männer sie seinerzeit am Teetisch mit Bajonetten bedroht hatten. Aber sie wollten keine Spielverderberinnen sein und nahmen trotzdem an, und so ließen sie sich von den Herren zur Tanzfläche führen.
»Als ich noch neu im Majestic war«, sagte der Major eben zu Sarah, »habe ich mit Edward einen Spaziergang über die Terrassen gemacht, und er erzählte mir von den Regatten und Jagdgesellschaften, die sie früher hier hatten … von den Geigen und den Leuchtern und dem Frühstück in silbernen Schalen … ich hätte nie gedacht, dass ich das noch einmal mit eigenen Augen sehe.«
»Es ist wunderschön, Brendan. So sollte es immer hier sein – mit Kerzen und Blumen. Es ist fast zu schön um wahr zu sein. Meinen Sie, das Frühstück wird in Silberschalen serviert? Aber bis dahin ist noch so viel Zeit!«
Ihr Lächeln hatte etwas Warmes, eine Spur von jener unschuldigen Begeisterung, die er bei ihrem Besuch in London so entwaffnend gefunden hatte. Vom Tanzen war der Major durstig geworden. Er trank ein Glas kühlen Champagner, dann ein zweites. Er war in einer seltsamen Stimmung, beklommen und doch zugleich optimistisch. Er wies auf das blauschwarze gläserne Dach über ihnen und erzählte Sarah, wie die Kinderfrauen und Kinder von den Balkonen oben den Erwachsenen beim Tanz zugesehen hatten. In den alten Zeiten war das gewesen, auf dem Höhepunkt der Saison, wenn die goldverzierten Spiegel in jedem Hotelzimmer das Bild vornehmer Herrschaften zeigten und die Mansardenzimmer regelrecht
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