Troubles (German Edition)
sah, und eine gewisse Zerstreutheit.
Die Zwillinge hatten seinen Abtransport mit einem Stoßseufzer der Erleichterung kommentiert. Besonders Charity hatte geradezu jubiliert und einen Moment lang beinahe vergessen, sich kränker zu geben, als sie war (geistesgegenwärtig hatten sie und Faith sich das Gesicht mit Talkum gepudert, damit sie Mitleid weckten und der Strafe entgingen). Natürlich
war
sie auch krank, innen drin, obwohl sie ja zum Glück alles, was sie im Magen gehabt hatte, ausgespien hatte. Aber ihr Spiegelbild war ihr doch zu strahlend und gesund vorgekommen. So langweilig vom Major, darauf zu bestehen, dass sie dieses eklige Zeug tranken, obwohl es auch irgendwie guttat – schließlich hatte sie ja große Angst ausgestanden. Heute würde sie das Nachtgebet ausnahmsweise einmal nicht vergessen!
Als es ihm endlich gelungen war, die Zwillinge, gut abgefüllt mit Natron, ins Bett zu stecken, stieg auch der Major die Treppe hinauf, allerdings nicht ohne in Gedanken noch einmal durchzugehen, ob er auch nichts vergessen hatte … Die Zwillinge? Versorgt. Padraig? In trockenen Kleidern nach Hause geschickt. Der elende Hauslehrer? Um den würde er sich morgen kümmern. Die Gäste? Tja, bei den Gästen konnte man jetzt nichts mehr machen. Sarah? Die musste er vergessen. Mrs. Rappaport? Entwaffnet und im Bett, nahm er an. Und Sarah? Die musste er vergessen. Wie konnte er das? Er musste. Und Sarah? Vielleicht würde er sich morgen noch einmal Gedanken machen. Und Sarah?
In seinem Zimmer war es bitterkalt. Das Bettzeug war klamm und fühlte sich an wie mit Eis überzogen. Müde und unglücklich, wie er war, fand er diese Unwirtlichkeit kaum zum Aushalten. Wenn er doch nur eine Wärmflasche gehabt hätte! Er lag da und sehnte sich nach körperlichem Wohlbefinden, genau so wie er sich früher am Abend nach etwas Süßem gesehnt hatte. »Trotzdem«, sagte er sich, »so werde ich nie einschlafen können«, doch erschöpft wie er war von Glück, Enttäuschung, Unglück, Bitterkeit und Chaos, die an diesem Tage eins auf das andere gefolgt waren, schlief er schließlich doch ein, noch bevor er die Kerzen auf seinem Nachttisch auspusten konnte.
Sie brannten noch, als er kurz darauf wieder erwachte, ja, sie waren kaum mehr als einen Zollbreit heruntergebrannt. Er rief »Herein!«, denn jemand klopfte an die Tür. Er rechnete damit, dass Edward erschien; es war genau seine Art, rücksichtslos Leute aufzuwecken, wenn ihm plötzlich nach Zuspruch zumute war. Doch nein, es war die Köchin.
»Sie müssen sofort kommen!«, rief sie atemlos. »Der Teffel ist unten!« Und ein Sturzbach weiterer Worte folgte, von denen der Major nicht ein einziges verstand. Er starrte sie mit großen Augen an.
Seit der Zeit von Angelas Krankheit, als er sich immer zur Essenszeit im Treppenhaus nach ihr umgesehen hatte, hatte er wenig mit der Frau zu tun gehabt, ja er hatte sich sogar angewöhnt, ihr aus dem Wege zu gehen, weil ihr offenbar immer noch unwohl in seiner Gegenwart war. Umso verblüffender also, dass sie nun vor seiner Tür stand, ihre rundliche Figur in etwas gehüllt, das wie ein Militärmantel aussah, ungeschnürte Männerstiefel an den Füßen, das graue Haar, das sonst stets ordentlich zu einem Knoten am Hinterkopf geschlungen war, wild über die Schulter wallend.
»Was reden Sie da?«, sagte er streng. »Der Teufel? Sprechen Sie langsam und deutlich. Ich verstehe Sie nicht.«
Aber die Köchin redete schneller denn je, wiederholte immer wieder dieselben unverständlichen Wendungen, und vergeblich versuchte der Major, sich etwas daraus zusammenzureimen. War es womöglich Irisch? Oder lag es nur an ihrer Gaumenspalte, verschlimmert noch, fürchtete er, durch fehlende Zähne?
»Halt!«, kommandierte er (so etwas durfte man nicht durchgehen lassen). »Ich komme mit und schaue selbst.« Er warf die Bettdecke zurück, woraufhin die Köchin ängstlich einen Schritt rückwärts machte, ihr Redeschwall schlagartig verstummt. Er achtete nicht auf sie, sondern zog sich Pantoffeln und den Morgenmantel an, dessen Gürtel er sich fest um die Taille zurrte. Inzwischen war die Köchin den Gang hinunter verschwunden, doch als er ihr folgte und um die nächste Biegung kam, sah er die flackernde Kerze weit vorne, die Flamme von ihrer Hast in die Länge gezogen, und die bloßen Füße platschten ungeschickt in den Männerstiefeln. Als sie die Treppe hinuntereilte, warf das Kerzenlicht züngelnde Schatten durch die Treppengeländer, die ihnen
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