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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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sehnsüchtige Erinnerung, als die Mahlzeiten, die im Speisesaal serviert wurden, zur Normalität zurückkehrten. Eines Tages beim Mittagessen, als die übrigen Gäste sich mit Irish Stew stärkten (»ein
chinesisches
Irish Stew«, murmelte Miss Johnston angewidert), erschien Murphy mit einer weiteren Schüssel. Darin lag ein großes Filetsteak. Edward schob seinen Teller beiseite, schnitt das Steak in kleine Würfel und stellte die Schüssel auf den Teppich vor Rover, der mittlerweile fast völlig erblindet war, Tag und Nacht heimgesucht von Schreckensvisionen. Rover leckte misstrauisch an dem Fleisch, kaute ein oder zwei Stückchen, dann verlor er das Interesse. Mit einem Seufzer wandte Edward seine Aufmerksamkeit wieder dem Teller mit Eintopf zu. Kurz darauf tollte sein neuer Liebling, der Afghane mit den goldenen Locken, heran, beugte die lange Schnauze zu dem Fleisch hinunter und verschlang es in Windeseile. Die Gäste beobachteten ihn mit nachdenklichem Schweigen.
    In der letzten Aprilwoche traf der Major bei der Rückkehr von einem melancholischen Spaziergang im Park auf Edward, der eben bei der Viktoriastatue die Auffahrt überquerte. Er blieb stehen. Edwards Armeepistole baumelte in der einen Hand. Von der anderen tropften dunkle Blutstropfen auf den Kies. Er starrte entsetzt in Edwards verstörtes Gesicht.
    »Was um alles in der Welt ist passiert?«
    »Ich habe Rover erschossen … Er wurde alt. Ich dachte …« Er betrachtete seine bluttriefende Hand. »Ich dachte, ich …« Doch dann machte er kehrt und ging ins Haus und überließ es dem Major, sich von Seán Murphy einen Spaten zu borgen und auf die Suche nach dem Leichnam zu begeben.
    Als er am Fuß einer Eiche in der Nähe des Torhauses ein Loch aushob, behinderten ihn dicke Wurzeln. Er hätte sich wirklich einen geeigneteren Platz aussuchen sollen, aber die Trauer machte ihn trotzig. Die Folge war, dass das Loch, wenn es den ganzen Hund aufnehmen sollte, schmal und tief ausfallen musste. So kam es, dass Rover auf den Hinterbeinen stehend begraben wurde, der zerschmetterte Schädel nur Zentimeter unter der Erdoberfläche.
    Als der Major das Grab aufgefüllt hatte und eben die Erde mit der Rückseite seines Spatens festklopfte, sah er, dass eine Delegation von alten Damen im Anmarsch war, wohlbepelzt zum Schutz vor den unermüdlichen Frühjahrsbrisen. Miss Johnston war die Wortführerin. Sie hätten gehört, was passiert sei, und wollten einen Vorschlag machen. Man solle Rover nach Dublin schicken und ausstopfen lassen. Das Geld dafür würden sie sammeln und Edward den Hund dann zu seinem nächsten Geburtstag schenken. Der Major dankte ihnen, erklärte aber, das schwere Geschoss habe den Schädel des Hundes so sehr zertrümmert, dass nichts mehr zu retten sei. Es sei aussichtslos, der Hund sei nicht mehr wiederzuerkennen (was alles nicht stimmte, aber der Major konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass Rover, ausgestopft und in lässig-eleganter Körperhaltung, mit erhobener Vorderpfote beispielsweise, in den Jahren, die dem Majestic noch blieben, langsam verstaubte … Der Gedanke, dass der arme Hund unter der Erde Männchen machte, während die Würmer ihre Arbeit erledigten, war schon schlimm genug.) Später erfuhr der Major, dass sich Edward, als er den Kopf des Hundes mit seiner freien Hand liebevoll festhielt, mit der Kugel selbst verletzt hatte. Zum Glück war es nur eine Fleischwunde.
    Etwa zur gleichen Zeit gab es in Dublin eine Reihe von nächtlichen Sprengstoffanschlägen auf Standbilder; herausragende britische Soldaten und Staatsmänner verloren dabei ihre Füße, Schwerter wurden verbogen. Als Edward von diesen »Schandtaten« las, geriet er heftig in Rage. So etwas sei das Werk von Feiglingen. Sollten die Leute von der Sinn Féin offen kämpfen, wenn es denn sein musste, Mann gegen Mann! Diese Art von Feigheit sei unerträglich … hinter Hecken herumlungern, Denkmäler sprengen … Hatte es während dieses ganzen Aufstandes auch nur eine, eine einzige ehrliche Schlacht gegeben? In ganz Irland sei nicht ein einziger Graben ausgehoben worden, außer vielleicht um Kartoffeln zu pflanzen! Verdienten es diese Aufständischen überhaupt, dass man sie Männer nannte?
    »Immerhin war da Ostern 1916«, gab der Major in mildem Ton zu bedenken.
    »Ein Dolchstoß in den Rücken!«, brüllte Edward, und es klang fast wie ein Schmerzensschrei, ganz so, als spüre er die Klinge zwischen den eigenen Schulterblättern. »Wir haben gekämpft, um sie zu

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