Troubles (German Edition)
beschützen, und sie sind uns in den Rücken gefallen.«
»Na ja, nicht, wenn man es aus ihrem Blickwinkel sieht … Schließlich«, sagte er beschwichtigend, als Edwards Miene sich verhärtete, »muss man auch die andere Seite sehen.«
Drückendes Schweigen legte sich auf den Raum. Der Major beschloss, dass es ein Zeichen von Stärke war, wenn er das Thema nicht weiter verfolgte. Dieser Tage weckte Edward eher Mitleid als Zorn in ihm. Insgeheim blieb er jedoch bei der Ansicht, dass es doch eine schöne Geste von den Sinn-Fein-Leuten war, wenn sie statt lebendiger Menschen nur Statuen ins Visier nahmen – gewissermaßen ein Beleg dafür, dass auch sie zum gutmütigen Volk der Iren gehörten, oder doch beinahe.
»Meinen Sie, die haben womöglich ein Auge auf unsere Viktoria geworfen? Vielleicht sollten wir überlegen, ob wir sie ein bisschen weiter vom Haus wegschaffen …« Doch Edward kräuselte nur verächtlich die Lippe bei diesem neuen Beweis dafür, dass der Major einfach keinen Kampfgeist hatte.
Im Golfclub drängten sich neuerdings Mitglieder, die der Major dort noch nie gesehen hatte: dicke, misstrauische Männer mit riesigen Schnurrbärten, die sich lauschend die Hand hinters Ohr legten, wenn irgendwo das Wort »Unruhen« fiel, selbst aber sehr wenig sagten und sich mit einer gelegentlichen wehmütigen Erinnerung an Chittagong oder Kairo oder sonst einen Ort in fernen Landen begnügten. Es hatte den Anschein, als warteten sie voller Unbehagen auf etwas; vielleicht wussten sie selbst nicht, was es war. Sie standen einfach da, die Hände in den Taschen, und starrten mürrisch durch die Fenster des Clubhauses auf die Rasenflächen im Wind. Momentan wagten sich nicht viele Spieler nach draußen; und die, die es dennoch taten, wie Boy O’Neill zum Beispiel, hatten ein Gewehr in der Golftasche. Ein oder zwei Mal hatte man über das Stimmengewirr an der Bar tatsächlich Schüsse aus der Ferne gehört, und die Versammlung hatte das Schlimmste befürchtet: ein Massaker am vierzehnten Loch, lang hingestreckte Leichen im samtweichen Gras oder blutend in einem Bunker. Aber nein, kurz darauf kam auf dem Fairway beim achtzehnten Loch eine lachende, zerzauste Gruppe in Sicht, und als sie sich dem Clubhaus näherte, sah man, dass einer von ihnen mit der einen Hand einen Putter und mit der anderen einen toten Hasen schlenkerte. Nicht dass sie etwas gegen ein kleines »Scharmützel« gehabt hätten – einige von ihnen waren jung und tapfer, andere im mittleren Alter und wild entschlossen, und keiner von ihnen war im Krieg in Frankreich gewesen.
Meistens blieben die Clubmitglieder jedoch an der Bar, tranken Whisky mit Soda und warteten. Es gab immer noch ein paar zerlumpte, fröstelnde Caddies, die bereitstanden und jeden knickerbockerbehosten Gentleman umdrängten, sobald er Anstalten machte, sich in offenes Gelände zu wagen – aber ihre Zahl hatte im Laufe des Winters deutlich abgenommen. Jetzt waren nur noch die ganz jungen und die ganz alten übrig. Und die anderen? Vielleicht streiften die jetzt, statt sich Golftaschen auf die Schultern zu laden, mit einem Einsatzkommando durch die Berge und trugen Gewehre für die I.R.A.
»Hallo, Major.«
»Oh, hallo Boy … Ich hatte Sie gar nicht gesehen.« O’Neill lehnte an der Bar, seine Schultern zwei dicke Muskelpakete, unnatürlich angeschwollen durch den dicken Pullover, den er trug. Aggressiver denn je, hatte er sich in jüngster Zeit angewöhnt, nach allem was er sagte, ein sarkastisches Grinsen aufzusetzen, ganz gleich, ob es nun ein Scherz war oder nicht. Der Major fand diese Angewohnheit lästig.
»Haben Sie den alten Devlin gesehen?«
»Schon lange nicht mehr, Boy.«
»Geht uns dieser Tage offensichtlich aus dem Weg. Ein Jammer; ich habe nämlich einen Witz für ihn. Und zwar diesen: Es geht um ein Mädchen aus Kilnalough namens Mary. Mary geht in Lumpen nach England und kommt ein Jahr später in feinen Kleidern zurück und wirft mit Geld nur so um sich. Als sie Pater O’Byrne, trifft, fragt der: ›Sag mal Mary. Woher hast du denn das viele Geld?‹
Darauf Mary verschämt: ›Ich bin Prostituierte geworden, Pater.‹
›Was sagst du da?‹, brüllt Pater O’Byrne entsetzt.
›Ich bin Prostituierte geworden‹, wiederholt Mary.
›Na Gott sei Dank‹, sagt Pater O’Byrne mit einem erleichterten Seufzer. ›Ich dachte, du hättest Protestantin gesagt!«‹
Lachen von ein oder zwei Männern an der Bar in der Nähe. Aber das waren alte Hasen. Die
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