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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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Kolonialen (wie man die dicken, misstrauischen Männer mit Schnurrbart mittlerweile nannte) blickten verständnislos, denn sie waren eher daran gewöhnt, die Menschen nach Rassen zu unterteilen als nach der Religion. Das war ihnen zu subtil. Schließlich bleibt ein Weißer immer ein Weißer.
    »Sehr witzig«, sagte der Major ohne große Begeisterung. Er hatte den Scherz schon gekannt.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, in einem Lehnstuhl unter dem Ölgemälde mit dem Portrait des Gründers, entdeckte der Major den jungen Mortimer. Er ging hinüber, um sich nach Matthews zu erkundigen. Mortimer erhob sich höflich und bot dem Major einen Stuhl an, sodass dem Major durch den Kopf ging: »Immerhin haben einige von diesen jungen Burschen eine gute Kinderstube.« Und es war wirklich nicht zu leugnen. Mortimer war ein patenter junger Mann, hatte eine gute Schule besucht, war gewandt im Ausdruck, ein guter Spieler … Charity (oder war es Faith?) konnte es wirklich sehr viel schlechter treffen. Das einzige, was gegen ihn sprach, war, dass seine Familie zwar anständig, aber doch wohl mittellos war, sonst hätten sie einem Sprössling wohl kaum gestattet, sich mit dem irischen Gesindel einzulassen, um ein paar Shilling am Tag zu verdienen. Es war wirklich eine Schande. Ein sympathischer junger Bursche, wenn auch nicht so charakterfest wie man auf den ersten Blick dachte.
    Matthews ging es deutlich besser, erfuhr er. Natürlich war er immer noch ein wenig benommen. Die Beule am Kopf hatte sich als ziemlich schlimm erwiesen. Aber Mortimer hatte noch eine andere, sehr viel aufregendere Neuigkeit. Ob der Major von Captain Bolton gehört habe? Er sei nach einem furchtbaren Streit mit seinen Vorgesetzten aus Kilnalough abgereist. Entlassen wegen Ungehorsam. Na, er hatte ihnen gesagt, sie sollten sich zum Teufel scheren! Und dann sei er unverzüglich nach Dublin gefahren, zusammen mit einem irischen Mädchen. Wer hätte so etwas von Bolton gedacht … ein heimliches Techtelmechtel?
    »Das Mädchen war auf dem Ball im Majestic. Sie erinnern sich vielleicht an sie?« Der Major erinnerte sich.
    »Das hätten Sie dem alten Bolton nicht zugetraut, was? Also, na ja, er wirkte immer so, als fühle er sich unter Männern am wohlsten. Es heißt, dass sie von ihm eins über die Rübe kriegt, sobald sie auch nur einen anderen anschaut.«
    »Woher wissen Sie das alles?«
    »Einer von den Jungs war die Tage oben in Dublin und hat sie zusammen bei Jammet gesehen. Es gab eine Szene mit einem Burschen, der sie angestarrt hat. Ich persönlich fand ja, dass sie wie ein Luder aussah, oder was meinen Sie?«
    Ende April fegten die letzten schweren Frühjahrsstürme von Nordwesten her über das Land, und wieder klirrten die Scheiben in sämtlichen Fenstern des Majestic vor Qual, Kamine brüllten und jammerten wie ungemolkene Kühne, halb bedrohlich und halb flehend, und die Zugluft seufzte leise durch die Türritzen wie ein verliebtes Mädchen. Zugleich vernahm man ein merkwürdiges, schwer zu deutendes Krachen; vielleicht die Art von Laut, die man mit brechenden Knochen in Verbindung bringt. Schwer zu orten waren diese Laute obendrein; allem Anschein nach drangen sie dumpf durch die Wände oder die Decke, ein- oder zweimal sogar durch den Fußboden, hatte man den Eindruck; bei dem Heulen des Windes und den anbrandenden Wellen konnte man sich nicht sicher sein.
    Der Major war natürlich besorgt und machte sich mehrmals auf die Suche nach der Ursache. Irgendwo war etwas zerbrochen, er konnte sie buchstäblich
fühlen
, die eigentümlichen Schwingungen, wenn etwas zu Bruch geht; man spürt immer, wenn etwas zerbricht. Aber wenn er sich aus dem Sessel schraubte und nachdenklich an seiner Pfeife paffend (um die Damen nicht zu beunruhigen) ins Nebenzimmer schlenderte oder in das im Stockwerk darüber, wo er Risse über die ganze Länge der Wände erwartete … tja, da gab es nie etwas zu sehen. Alles war ruhig. Er musste es sich eingebildet haben. Aber man weiß sehr genau (dachte der Major), ob man sich etwas nur einbildet oder nicht, und er war
sicher
, dass da etwas war. Außerdem hörten die anderen es auch. Knack! Ein oder zwei von den Damen blickten unsicher auf, wollten aber kein großes Aufhebens machen, weil sie ihren alten Ohren nicht trauten. Und weil anscheinend nichts passiert war, senkten sie den Blick wieder auf die Finger, die dieser Tage offenbar nur noch aus Gelenken bestanden, eines am anderen, aufgefädelt wie dicke Perlen,

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