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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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Major. An seine tote Frau vielleicht … an seine älteste Tochter, die Verstorbene, die er von allen am meisten geliebt hatte und auch jetzt noch mehr liebte, als er Ripon und die Zwillinge je würde lieben können.
    Und als habe der Major seine Gedanken gelesen, sagte Edward in diesem Augenblick: »Ich erinnere mich genau an den Tag, als wir Angie im Schnee nach Hause brachten. Sie war noch ein Baby. Und doch kommt es mir vor, als sei es erst gestern gewesen.«
    Das Telefon in Edwards Arbeitszimmer läutete. Der Nachmittag und das Haus waren so still, dass der Major das Klingeln draußen im Park hörte. Inspektor Murdoch aus Valebridge war am Apparat.
    »Ist etwas nicht in Ordnung? Sie sind doch wohlbehalten in den Zug gestiegen?«
    Nun ja, genau deswegen rufe er an. Wegen irgendwelchem Ärger auf der Strecke nach Dublin habe der Zug Valebridge bisher nicht verlassen. Es sei noch nicht klar, was vorgefallen sei, aber die Abfahrt könne sich noch länger verzögern.
    »Sie sind alle nicht mehr die Jüngsten. Man darf ihnen nicht zu viel zumuten. Wenn keine Aussicht besteht, dass sie Dublin vor Einbruch der Dunkelheit erreichen, schicken Sie sie besser hierher zurück, und wir machen morgen einen neuen Versuch.«
    »Geht in Ordnung, Major.« Dann, nach einer Pause: »Übrigens, ich schicke einen meiner Männer vorbei, damit er sich einmal im Majestic umsieht.«
    »Wieso?«, fragte der Major. Aber Murdoch hatte bereits aufgelegt.
    »Wie tot alles ist!«, dachte der Major, als er ziellos durch die leeren Zimmer und Flure wanderte. Absolute Stille. Nicht einmal das seltsame Knacken hörte er mehr, das Geräusch von Ästen unter Wasser. Ein merkwürdiger Gedanke, dass die Abwesenheit von Edward und einer Handvoll alter Damen so viel ausmachen konnte.
    Es war ein schmerzlicher Abschied gewesen. In der festen Überzeugung, dass sie ihren lieben Freund, den Major, auf dieser Welt nie wiedersehen würden, hatten die alten Damen ihren Gefühlen freien Lauf gelassen. Er hatte eine faltige, tränenfeuchte Wange nach der anderen küssen müssen, einen zerbrechlichen, lavendelduftenden Busen nach dem anderen an sich gedrückt – all das begleitet von den üblichen Aufregungen und Verzögerungen, die sich stets einstellen, wenn alte Damen eine Reise antreten: vergessene Portemonnaies, nicht auffindbare Fahrkarten, Briefe, die der Major aufgeben sollte, Trinkgelder, die sie versehentlich nicht gegeben hatten (aber wem hätte man im Majestic noch ein Trinkgeld geben können, außer dem Major selbst?), Adressen und Fahrpläne, die man sich unbedingt einprägen musste und die folglich sofort vergessen waren, kleine Päckchen (mit Taschentüchern, kunstvoll bestickt mit dem Namen und Rang des Majors), die er erst nach ihrer Abreise öffnen durfte, dringende Toilettenbesuche in letzter Minute, wenn alle schon abfahrtbereit waren. Der Major ertrug all dies gelassen und mit entschlossener Fröhlichkeit: er scherzte munter mit den alten Damen, damit sie sich nicht, vom vielen Schluchzen ganz verausgabt, hinlegen mussten und womöglich noch den Zug versäumten.
    Aber schließlich hatte sich Edwards Daimler mit den Damen, die mit dem Automobil nach Dublin fuhren, in Bewegung gesetzt, und die Mietkutsche mit den anderen war auf dem Weg zum Bahnhof in Valebridge. Der Major war allein an der Einfahrt zurückgeblieben. Alles was von den alten Damen blieb war ein Hauch Riechsalz in der reglosen Luft.
    Da er sich an das seltsam stille und verlassene Haus noch nicht gewöhnt hatte, nahm er seinen Spaziergang über das Gelände an der Stelle wieder auf, an der er ihn unterbrochen hatte. Dabei stieß er auf Spuren von Edwards Aktivitäten, die er, beschäftigt wie er gewesen war, nicht bemerkt hatte; das erste, was ihm auffiel, war ein kleiner Munitionsvorrat, in Öltuch geschlagen. Während all der Zeit, in der er verzweifelt auf die Schließung des Majestic hingearbeitet hatte, war Edward draußen im Park gewesen und hatte dessen Verteidigung vorbereitet. Jetzt, wo sein Blick dafür geschärft war, fand er überall Öltuchpäckchen mit Munition. Doch damit nicht genug. Auf dem Kartoffelfeld und auf der Wiese dahinter waren Schützenlöcher angelegt, in hohlen Bäumen im Wald steckten Erste-Hilfe-Kästen. An jedem exponierten Teil des Geländes gab es Deckung, an manchen Stellen metallene Schilde, aus Teilen alter Heizkessel geschnitten und mit Schießscharten versehen – alle nach draußen, zu den Grenzen des Geländes hin gerichtet, als hätten

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