Troubles (German Edition)
diesen schwarzen Fenstern kamen mit einem Mal brennende, fauchende Gestalten gesprungen – Hunderte von ihnen; sie quollen aus den Fenstern, breiteten sich über die Dachrinnen aus und sprangen in die Finsternis. Diejenigen, die nicht schon brannten, explodierten im Fluge oder flammten wie Fackeln auf, als sie durch die gewaltige Hitze zu Boden stürzten. Jemand in der Menge meinte, das sei wie die flammenden Dämonen, die man aus Mund und Nase eines sterbenden Protestanten kommen sehe. Und damit noch nicht genug, denn für einen kurzen Augenblick tauchte eine grässliche, kadaverhafte Gestalt oben auf dem Dach auf, die Kleider ein Flammenmantel, das Haar lichterloh brennend: Satan selbst! Dann verschwand er und wurde nie wieder in Kilnalough gesehen. Aber man erzählte, er sei zur Hölle gefahren, wo er die Leichen der Kinder fräße.
Noch ein paar Minuten lang loderte das Majestic heller und heller, eine kleine Sonne, in die man nur einen kurzen Augenblick lang mit dem unbewaffneten Auge schauen konnte. Dann stürzte es mit einem tosenden Krachen in sich zusammen, und eine gewaltige Funkenwolke stob himmelwärts.
Und das war das Ende des Majestic. Zwei Tage und zwei Nächte brannte und qualmte es noch. Niemand kam auf die Idee, die verkohlten und verbrannten Dämonen zu begraben, die überall auf dem umgebenden Land umherlagen. Bald stanken sie fürchterlich.
Im Juli erhielt Dr. Ryan Besuch von Mrs. O’Neill und ihrer Tochter Viola. Er hatte auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer geschlafen und war verärgert, dass man ihn weckte. Eine ganze Weile lang war nicht klar, ob es sich um einen reinen Höflichkeitsbesuch handelte oder ob sie seine Dienste als Arzt in Anspruch nehmen wollten. Zunächst ging er vom ersteren aus, denn Mutter und Tochter schienen beide bei guter Gesundheit, und so bat er sie ins Wohnzimmer, einen feuchten, bedrückenden Raum, in dem ein Besucher selten länger als unbedingt nötig verweilte. Dort angekommen, ließ er sich in einen Sessel sinken und schloss die Augen. Mrs. O’Neill plauderte freundlich über dies und das, Viola lächelte hübsch, zeigte ihre Grübchen, warf bisweilen ihrer Mutter einen schelmischen Blick zu (»Meinst du, er schläft?«).
Dann, nach einem längeren Schweigen, das der Doktor als Wohltat empfunden hatte, das jedoch seine Gäste beklommen machte, sagte Mrs. O’Neill: »Viola möchte, dass Sie ihr eine Diät empfehlen, Doktor. Sie findet, dass sie recht rundlich geworden ist, und sollte ein wenig Gewicht verlieren.«
Der Doktor raffte sich unter Mühen auf und schlurfte den Gang hinunter, gefolgt von Mrs. O’Neill und Viola, die beide die Nase rümpften, als sie sahen, in welchem Zustand das Haus war. Aber man musste Nachsicht haben. Er war ein alter Mann und der einzige Arzt in Kilnalough.
Als Viola einen Teil ihrer Gewänder abgelegt hatte, betrachtete der Doktor kurz ihre Brüste und ihren Bauch und gab ihr dann zu verstehen, dass sie sich wieder anziehen könne.
»Nun, Doktor?«
»Sie braucht keine Diät.«
»Aber sie wird zu dick, Doktor!«
Wieder folgte ein langes Schweigen. Der alte Mann stand versonnen da, die Augen halb geschlossen. Mrs. O’Neill und Viola tauschten vielsagende Blicke. »Unmöglich«, dachte Mrs. O’Neill, »unmöglich, dieser Mann. Keine zwei Sekunden lang behält er etwas in seinem Kopf!«
»Eine Diät, Doktor«, erinnerte sie ihn. Doch der Doktor seufzte nur, und seinem Gesicht nach zu urteilen würden sie wohl nie eine vernünftige Antwort aus ihm herausbekommen. Doch schließlich lösten sich seine bebenden, faltigen Lippen und er sagte: »Ihre Tochter braucht keine Diät, Mrs. O’Neill. Sie ist schwanger.«
»Schwanger! Aber das ist doch unmöglich. Viola ist noch ein Kind. Sie
kennt
überhaupt keine jungen Männer, oder doch, Viola?«
»Nein, Mummy.«
»Das hören Sie es … Das ist lächerlich. Und überhaupt solche Worte in den Mund zu nehmen! Sie sollten sich schämen!«
»Und trotzdem, Mrs. O’Neill, ist sie schwanger.«
»Aber wie oft muss ich Ihnen denn noch sagen … ?« Noch einmal erklärte Mrs. O’Neill ihm ganz ruhig (wenn man die Geduld verlor, erreichte man überhaupt nichts), dass Viola Empfehlungen für eine Diät wünsche, nichts weiter als das. Doch bald merkte Mrs. O’Neill, dass es unmöglich war, ihm etwas begreiflich zu machen, egal mit wie viel Geduld. Der alte Knabe begriff nichts mehr. Er hatte sich etwas in den Kopf gesetzt, und es bestand keinerlei Aussicht, ihn zur Vernunft zu
Weitere Kostenlose Bücher