Troubles (German Edition)
war der junge Cockney, der am Tag zuvor mit dem Fahrrad zu ihm gekommen war … Er hatte ihn zum Tee eingeladen.
»Wieso sind Sie nicht zum Tee gekommen?«
Doch der Mann gab keine Antwort, schaute den Major nur weiter auf eine freche Art an, ein trübes blaues Auge weit aufgerissen, das andere zu einem glitzernden Schlitz verengt. Im Mundwinkel hatte er etwas Dunkles hängen: Seetang vielleicht. Eine Schmeißfliege kam, drehte brummend ihre Runden und beschloss dann, sich auf das offene blaue Auge zu setzen. Das Auge blinzelte nicht.
Als die Sonne anstieg, besserte sich das Bewusstsein des Majors, und wiederum mühte er sich nach Kräften, seine Gedanken zur Ordnung zu rufen, die hierhin und dorthin flitzten wie schlüpfrige kleine Fische, die den Fingern immer wieder entglitten. »Der Tod«, dachte er. Und: »Ertrinken.« Doch das kam ihm unbefriedigend vor, und so nahm er einen neuen Anlauf, und diesmal gelang ihm: »Entsetzlich, wenn man ertrinkt …«; und das war zwar ebenfalls unbefriedigend, erschöpfte ihn aber fürs Erste. Bald jedoch konnte er eine weitere Stufe auf der Bewusstseinsleiter erklimmen, und er sagte sich: »Meine Seite tut verdammt weh. Brennt wie der Teufel.« Dann kamen ihm Sarah, Edward und die Zwillinge in den Sinn, aber die halfen ihm nicht. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen.
Die Bewegungen seiner Gliedmaßen hatten inzwischen einen Hohlraum von drei oder vier Zoll zwischen seinem Körper und dem umgebenden Sand geschaffen. Dieser Raum hatte sich mit Wasser gefüllt, das von unten durch den Sand kam. Jetzt sah er, dass das Wasser eine rötliche Färbung hatte, und das verriet ihm, dass er blutete. Je mehr sein Bewusstsein zurückkehrte, desto stärker quälte ihn Durst, und der Schmerz in seinen Gliedern wurde unerträglich. Trotzdem beschloss er, dass er, so sehr es auch schmerzte, seinen Kopf bewegen musste, um zu sehen, wer außer ihm und dem dreist dreinblickenden jungen Cockney sonst noch am Strand war. Millimeter um Millimeter, den Bruchteil eines Grades bei jedem Versuch, drehte er den Kopf und bewegte seine trägen Augäpfel, zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Am Strand war keine Menschenseele zu sehen. Er war vollkommen verlassen.
Das Wasser wurde dunkelrot. »Gleich kommt Sarah und gräbt mich aus«, dachte er, mit einer Mischung aus Liebe und Qual, während das schwimmende Sonnenlicht näher und näher kam. Dann verlor er von Neuem das Bewusstsein.
Noch eine weitere Dreiviertelstunde verging, bis Rettung für den begrabenen Major kam. Und der Rettungstrupp wurde nicht von Sarah angeführt, sondern von Miss Johnston und Miss Staveley. Miss Bagley, obwohl außer Atem und vor Angst zitternd, traf kurze Zeit später ein. Die Nachhut bildete die arme Mrs. Rice, die nicht mehr so gut sah und die den Spaten tragen musste. Sie keuchte vor Erschöpfung, und immer wieder rief sie den anderen nach, sie sollten auf sie warten, dass sie fallen und sich die Hüfte brechen werde, und dann … weiß der Himmel was dann! Lungenentzündung womöglich. In ihrem Alter müsse man vorsichtig sein.
Aber schließlich machten sie sich doch an die Arbeit. Miss Staveley, die den Spaten übernommen hatte, während Mrs. Rice sich ein wenig ausruhte, begann zu graben (und keine Minute zu früh). Doch auch sie war schwer erschöpft (keine von ihnen hatte ein Auge zugetan, nachdem sie bei ihrer Rückkehr aus Valebridge festgestellt hatten, dass der Major verschwunden war), und vor Müdigkeit war sie ungeschickter denn je und es schien, als schaufelte sie rund um den Major fast genauso viel Sand zurück in das Loch wie sie herausschaufelte. Als das Wasser schließlich zum ersten Mal ihre Fußknöchel umspülte, übernahm Miss Johnston, die die Unternehmung leitete und die vor Ungeduld beinahe der Schlag traf, den Spaten und grub wie besessen, ob Lungenentzündung oder nicht. Am Ende war jedoch Miss Bagley die einzige – Miss Bagley, die der Major eigentlich nie ganz so sehr gemocht hatte wie die anderen –, die (mit schwacher Unterstützung von Mrs. Rice) die Kraft hatte, den schweren Stein, der ihn in seinem nassen Grab festhielt, beiseitezuwälzen. Den jungen Cockney hingegen ließen sie zu einem zweiten Bad da.
An einem Fenster im vierten Stock des Majestic hielt eine finstere Gestalt inne und beobachtete, wie die alten Damen den leblosen Leib des Majors von der immer näher rückenden Flut fortzogen.
»Tot!« Murphys runzliges altes Gesicht verzog sich vor Freude, als er
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