Troubles (German Edition)
bringen. Dr. Ryan, der Kilnalough über so viele Jahre so gute Dienste erwiesen hatte (und das stimmte, er
hatte
großartige Arbeit geleistet, das musste man ihm lassen), war am Ende seines Medizinerlebens angelangt. Es war traurig, das gewiss. Aber man konnte es nicht mehr leugnen.
Dr. Ryan begleitete seine Besucherinnen noch schlurfend zum Gartentor und sah ihnen nach, als sie in Richtung Hauptstraße davongingen. Dann seufzte er und machte sich auf den langen, mühsamen Weg rund ums Haus zum Garten dahinter, wo der Major in einem Liegestuhl saß und die Zeitung las.
An seinem letzten Tag in Kilnalough machte der Major einen melancholischen Besuch bei dem verkohlten Trümmerhaufen, der jetzt alles war, was vom Majestic übrig war. Allerdings blieb er nicht lange, denn er wollte seinen Zug nicht verpassen. Außerdem gab es auch nicht viel zu sehen, außer der großen Sammlung von Waschbecken und Toilettenschüsseln, die von einem brennenden Stockwerk zum nächsten gestürzt waren, bis sie schließlich unten angelangt waren. Er inspizierte die Häuflein aus geschmolzenem Glas, die sich wie die Tropfen von einer Kerze gesammelt hatten, wo einmal die Fenster gewesen waren. Die große Zahl zarter kleiner Skelette fiel ihm auf (die Ratten hatten die Knochen der verkohlten, gebratenen Dämonen säuberlich abgenagt). Er schritt zwischen den schwarzen Grundmauern umher und versuchte sich zu orientieren, sagte: »Jetzt stehe ich im großen Salon, auf dem Korridor, im Schreibzimmer.« Nun wo diese Räume zum milden irischen Himmel hin offen waren, kamen sie ihm viel kleiner vor – ja nicht im Mindesten mehr eindrucksvoll. Er machte einen vorsichtigen Schritt über einen großen Haufen Holzasche (er vermutete, dass es einmal die mächtige Eingangstür gewesen war), dann drehte er sich noch einmal um, und da fiel ihm etwas Weißes auf, halb in den Trümmern verborgen. Es war die Venusstatue, merkwürdig unbeschädigt. Sie war viel zu schwer, als dass er sie selbst hätte tragen können, aber als er wieder in Kilnalough war, traf er Vorkehrungen, dass sie verpackt und nach London geschickt wurde.
Es ergab sich, dass diese Dame aus weißem Marmor die einzige Braut war, die der Major in diesem Jahr 1921 aus Irland heimführen konnte. Doch nach wie vor quälten ihn die Gedanken an Sarah. Seine Liebe zu ihr hockte in seinem Inneren, reglos, wie ein kranker Vogel. Viele Wochen lang verzehrte er sich nach ihr. Und dann, eines Tages und ohne jedes Vorzeichen, erhob sich der Vogel von dem Ast in seinem Herzen und flog davon, hinaus in die Dunkelheit jenseits der Welt, und er fand Frieden. Doch selbst viele Jahre später dachte er noch manchmal an sie. Und ein- oder zweimal war ihm, als habe er sie auf der Straße gesehen.
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Zeittafel
1169
Im Zuge der unter den irischen Lokalkönigen im Mittelalter häufigen Kriege um die Vorherrschaft ruft einer der Kontrahenten anglo-normannische Hilfe ins Land; Barone aus England und Wales nehmen mit ihren Truppen weite Landstriche in Besitz. Da sie Untertanen Heinrichs II. sind, kann dieser nun einen Feldzug zur Befriedung unternehmen und erklärt sich zum
lord
(obersten Lehnsherrn) von Irland – der Beginn der englischen Hoheit über die Insel.
12.-15.
Jh.: England hat weder machtpolitische noch wirtschaftliche Interessen an Irland, und so geht der Einfluss immer mehr auf das Gebiet um Dublin zurück. Erst unter den Tudors werden die Zügel der Herrschaft wieder angezogen – mit den Veränderungen in England und Europa hat Irland geostrategische Bedeutung gewonnen, denn unter spanischem oder französischem Einfluss könnte es als Sprungbrett für einen Angriff auf England dienen.
1541
Heinrich VIII. erklärt sich zum König von Irland und erneuert damit den Anspruch des inzwischen protestantisch gewordenen England. Von nun an sind Herren wie Siedler, die ins Land kommen, Protestanten; die Iren selbst, auch die Anglo-Iren (Nachfahren der Normannen), bleiben beim alten Glauben.
1609
Beginn einer systematischen Kolonisierungspolitik unter den Stuartkönigen zur Festigung der englischprotestantischen Herrschaft; Engländer und Schotten werden vor allem in Ulster angesiedelt (
plantations
) – der Keim des späteren Nordirlandproblems.
1641
Aufstand der einheimischen Iren gegen die Siedler in Ulster; mit Beginn des englischen Bürgerkriegs schlagen die Aufständischen sich auf die Seite der katholischen Royalisten, zunächst erfolgreich; 1649 werden sie jedoch in einer
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