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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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beim Mittagessen tauchte Angela nicht auf. Der Major saß neben Edward, der sich abwechselnd mürrisch oder empört über den Zustand des Landes ausließ. Schon wieder waren beim Überfall auf eine Polizeikaserne Waffen geraubt worden; offenbar hatten die jungen Herumtreiber dieser Tage nichts Besseres zu tun. Lieber erschossen sie Leute hinterrücks als dass sie einen Tag lang ehrliche Arbeit taten. Viele hätten sich ja dann doch nicht gemeldet, als Sir Henry Wilson seinerzeit die Freiwilligen für einen gerechten Kampf zu den Waffen gerufen habe. Bei diesen Worten rührte der »Freund von Parnell«, der am Nebentisch saß, sich ärgerlich und murmelte etwas.
    »Was sagen Sie?«, fragte Edward nach.
    »Tausende von Nationalisten haben gegen Deutschland gekämpft«, murmelte der Alte, und auch jetzt war seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern. »Gesetzestreue Anhänger der Nationalpartei, die nicht nur für die Freiheit von Frankreich und Belgien gekämpft haben, sondern auch für die Freiheit Irlands. Es gehören ja nicht alle Nationalisten zur Sinn Féin …«
    »Die sind doch alle gleich. Die Sinn Féin fordert die Republik. Warum? Weil sie England hassen und sich im Krieg auf die Seite der Deutschen geschlagen haben. Würden sie mit einer eigenen Regierung anderes sagen? Natürlich nicht! Dann würden sie erst recht noch mehr wollen. In Irland gibt es keinen Mittelweg, und zwar aus dem einfachen Grunde, dass die, die eine Selbstverwaltung wollen, direkt der Sinn Féin in die Hände spielen. Das mag gut gemeint sein. Vielleicht sind sie einfach nur naiv. Aber das Ergebnis bleibt dasselbe.«
    »Sie sind
nicht
naiv!«, rief der Alte. Jetzt hob er seine Stimme. Die hageren Wangen hatten sich leicht gerötet, und aus dem Glas, das er eben zitternd an die Lippen heben wollte, schwappte Wasser auf das Tischtuch. »Iren haben in der britischen Armee gekämpft; sie haben das Empire verteidigt. Diese Männer haben das Recht auf eine Stimme, wenn es um die Zukunft ihres Landes geht.«
    »Ganz recht«, entgegnete Edward mit einem verächtlichen Lächeln. »Und Sie wissen ebenso gut wie ich, dass die große Mehrzahl derer, die dienten und fielen, aus Unionistenfamilien kamen, aus dem Süden und Westen des Landes. Wer hätte mehr Recht auf eine Stimme als die Kämpfer von Thiepval – oder die Überlebenden davon –, als ihre Väter, Söhne und Brüder? Und trotzdem hält es anscheinend jeder für selbstverständlich, dass man sie unterdrücken kann, dass man ihnen Gewalt antun kann, nur um eines kurzfristigen Friedens willen oder weil der irische Immigrantenpöbel in Amerika ein großes Geschrei macht. Mein guter Mann, so einfach ist das nicht. Keine britische Regierung, nicht einmal eine, die gerade einen strahlenden Sieg errungen hat, kommt mit einer so unvernünftigen, ungerechten Politik durch. Wenn einfältige Autonomisten Ihres Schlages sich durchsetzen könnten, wenn Sie Nord und Süd in einen gemeinsamen Staat zwängen wollten, gäbe das ein Blutbad, in dem das Empire unterginge. Ich sage es noch einmal, es gibt nur zwei Seiten, auf denen man in Irland stehen kann. Entweder steht man zur Union oder man unterstützt die Sinn Féin, und damit auch ihren irrsinnigen, verbrecherischen Aufstand von 1916, von ihrem Freund dem Kaiser gar nicht zu reden …«
    »Der demnächst in London vor Gericht gestellt und aufgeknüpft wird«, meldete sich ein Gentleman in steifem Tweed zu Wort. »Das hat Lloyd George gestern im Parlament gesagt.« Es folgte ein Moment beifälligen Schweigens, dann fügte der Herr in Tweed noch hinzu, dass er mit einem Mann gesprochen habe, der einen der Konstabler persönlich gekannt habe, die sie in Soloheadbeg erschossen hatten, einen anständigen jungen Mann, »aufrecht wie der lichte Tag«, der nur seine Arbeit getan habe. Wenn das kein Mord sei, was denn dann?
    Der Major hörte sich all das an, aber er wahrte Abstand. Schließlich ging es ihn ja im Grunde nichts an (und würde ihn erst recht nichts mehr angehen, wenn er erst einmal seine Unterhaltung mit Angela hinter sich hatte). Zwar tat ihm der »Freund von Parnell« leid, der bleich und sichtlich verärgert seinen Teller beiseiteschob, weil er nichts mehr herunterbekam, aber es schien ihm doch, dass Edward unzweifelhaft recht hatte. Nach allem, was er wusste, waren die Irländer seit jeher Unruhestifter gewesen. Und daran würde sich auch nichts ändern. Und das Ziel all dieses Aufruhrs, ein Irland unter eigener Regierung, kam ihm

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