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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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Edwards Kriegerdenkmal geritzt wurde, als toter Diener seines Königs? Aber eine Nation muss verlangen, dass die gesamte Bevölkerung sich beteiligt. Ist eine Sache gerecht, dann müssen alle sie verteidigen. Da ist kein Platz für junge Leute, die »in die Opposition getrieben« sind. Wenn man, wie es beim Major der Fall war, davon überzeugt war, dass es sich tatsächlich um eine gerechte Sache gehandelt hatte und dass weltweit das Britische Empire, das den Völkern die Zivilisation brachte, in Gefahr gewesen war, dann war es ganz richtig, dass man Ripon verachtete. Außerdem war vielleicht Ripon jetzt anstelle eines jener Umgekommenen am Leben, die ihn nachts in seinen Albträumen anflehten.
    Der Major betrachtete Edward. Dass so ein Mann einen solchen Sohn haben konnte! Wie aufrecht, wie militärisch er dastand! Man erwartete ja beinahe, dass bei jedem seiner Schritte die Orden klirrten. Die Art von Mann, die in Friedenszeiten immer ein wenig fehl am Platze wirkt, wie ein dicker Pelzmantel an einem heißen Sommertag. Doch von Neuem fiel ihm jener nachsichtige, aufgeklärte Ausdruck in seinen Augen auf, der so wenig zu Edwards militärischer Erscheinung passte, jener Anflug von Selbstironie, der so fest unter Kontrolle war, dass vielleicht sogar Edward selbst ihn sich nie so ganz eingestand, höchstens in seinen ganz privaten Gedanken.
    »Lass das bleiben«, sagte Edward und versetzte einem großen, rachitischen Afghanen, der seine lange Schnauze in die Hosentasche des Majors gesteckt hatte, einen Fußtritt. »Na, dann kommt«, sagte er weiter, jetzt an die ganze Hundemeute gerichtet. Er nahm den Hexenkessel vom Haken, und umgeben von einem Strudel aus bellenden, kläffenden Gestalten schleppte er ihn hinüber zu einem flachen Trog, wobei er noch über die Schulter zum Major hin meinte: »Also das riecht so gut, am liebsten würde ich selbst etwas davon nehmen.«
    Den Rest des Vormittags verbrachte der Major mit seinen Versuchen, zu einer Unterredung mit Angela zu kommen. Eine Zeitlang zog er müßig durchs Hotel und begegnete überhaupt niemandem. Er wanderte die Korridore hinunter, durch verlassene Räume im Zwielicht, in denen oft die Vorhänge noch vom Vorabend zugezogen waren (oder auch von vielen, vielen Abenden zuvor), hier eine Treppe hinauf, dort eine Treppe hinunter. Kurz vor elf, von Kaffeeduft gelockt, fand er den Weg zur Küche, die sich als eisige Gruft erwies, an deren gekalkten Wänden ein ganzes Arsenal gigantischer Töpfe und Pfannen hing (einige groß genug, um ein ganzes Schaf darin zu braten, mit Beinen und allem), die meisten dermaßen verrostet, dass sie kaum noch zu erkennen waren und eher wie rotbraune Wucherungen wirkten, die aus den Wänden selbst hervorquollen. Mitten auf dem Tisch lag auf einer rissigen Fleischplatte eine gescheckte Katze und döste.
    Hier in der Küche bekam der Major eine Tasse Tee (der Kaffee hatte sich als olfaktorische Täuschung erwiesen), durch vielfältiges Aufwärmen schwarz und bitter geworden; serviert wurde sie ihm von der außerordentlich fetten Frau, die ihm schon beim Frühstück aufgefallen war. Sie war die Köchin, schloss er, und schien gern zu einem Schwätzchen bereit, aber sie sprach mit einem so starken Akzent, dass er kaum ein Wort verstand. Er gewann jedoch den Eindruck, »die Herrin« sei im Speisesaal über ihnen, wo sie Blumen arrangierte.
    »Die Herrin?«, wiederholte er, um sich zu vergewissern (er war jetzt lange genug durch leere Räume gezogen). Er wies zur Decke. Die Köchin nickte heftig und hob zu einem neuen Redeschwall an, aufgeregt und mit bemerkenswerter Eindringlichkeit. Was sie ihm mitteilen wollte, war offenbar von großer Bedeutung. Leidenschaft spielte auf ihrem Gesicht; wenn sie zwischen Wortschwällen nach Luft schnappte, bebte sie am ganzen Körper, und die Fleischmassen an ihren Armen schwabbelten, wenn sie die Schultern schüttelte. Meine Güte, dachte der Major, was kann denn nur los sein? Manchmal verstand er ein Wort: »Himmel« … und »arme Frau« … und »bei den Engeln«; aber er kam nicht dahinter, von was sie redete. Wahrscheinlich bezog es sich auf Angelas Mutter, die man ja, wenn er sich das überlegte, eher »die Herrin« nennen konnte und die, wie er wusste, am Swithinstag 1910 an einer Embolie gestorben war. Doch die Köchin ging sichtlich davon aus, dass er ihre Tirade verstanden hatte, und um sein Mitgefühl zu zeigen, nickte er grimmig, als sie mit dem Sprechen aufhörte und sich stattdessen

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