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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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bespritzt vom gelben Eiter der Heiterkeit (nehmen Sie mir meine Metaphorik nicht übel, Major; ich tue, was ich kann). Man spürte, wie er kommen würde, der Schwall des Gelächters, der uns alle hinwegschwemmte …
    An diesem Punkt erhob sich der Pater familias – er war der einzige, der sich rührte – und brach in Gesang aus:
    God-save-our-gracious-king,
    Long-live-our-noble-king,
    God-save-the-king.
    Die anderen Vertreter der Majestic-Delegation waren aufgesprungen. Zwei oder drei von den Damen, ihre Stimmen schrill und trotzig, stimmten an dieser Stelle ein und schmetterten:
    Send-him-vic-to-ri-ous,
    Hap-py-and-glo-ri-ous,
    Long-to-reign-Oh!-verus,
    Go-o-od-save-the-King.
    (Ach, Major, Sie können sich das überhaupt nicht vorstellen! Die Nackenhaare hätten sich Ihnen gesträubt, vor Stolz bei diesem rührenden, erhabenen Gesang!)
    Tja, einen kurzen Augenblick lang schwiegen alle. Und dann kam es: ein Tohuwabohu aus donnerndem Applaus, Gelächter, von Trommeln und Bravorufen und Johlen. Es war ohrenbetäubend, glauben Sie mir. Die Blase, in der die Anspannung in diesem Raum gesteckt hatte und die immer bedrohlicher angeschwollen war, war geplatzt, und die Erleichterung war wie Manna, Major. Selbst ich habe applaudiert.
    Der steinerne Gast und die Damen hingegen schienen alles andere als erfreut über diese freundliche Aufnahme. Ihre Mienen verfinsterten sich, der steinerne Gast leckte sich grimmig die granitenen Lippen, die Damen hoben ihre feuchten Augen zu einem vornehmeren, kompromissloseren Winkel denn je. Was tun? Kaum hatte der rauschende Beifall ein wenig nachgelassen, da setzte der steinerne Gast – und die marmornen Nasenflügel bebten – ein zweites Mal zur Nationalhymne an, und zwar mit demselben Vers wie zuvor (es
gibt
doch weitere, nehme ich an, Sie sind ja genau die Art Mann, die so was weiß, Major, aber das tut jetzt hier nichts zur Sache).
    Diesmal stimmte nicht nur die Abordnung vom Majestic, sondern auch ein paar heisere Tenöre an der Bar mit ein, erhoben ihre schäumenden Bierkrüge und zeigten, wie man es ja bei Iren oft hat, eine Tendenz zum gefühlvollen Vibrato, mitsamt Tränen in den Augen. Aber in unserer Gesellschaft, Major, da wurden die Muskeln steifer, die Hälse röter, Fäuste wurden geballt. Ganz besonders Evans, der grausige Tutorwallah, sah aus, als würden ihm gleich im Übermaß des Hasses und der Gewalttat die Sinne schwinden, wenn er nicht schnell jemanden fand, den er zusammenschlagen konnte.
    Inzwischen sang der ganze Saal, nicht nur ein paar bierselige Tenöre an der Bar. Es war wunderbar, wie alle miteinander sangen. Und einem jungen Burschen mit einer viel zu großen Kappe auf dem Kopf und weiten Hosen, die aussahen, als wären sie aus Kartoffelsäcken gemacht, war selbst das nicht genug; er sprang auf einen Schemel, und von da aus dirigierte er, einmal den steinernen Gast und dann wieder den Chor am Tresen.
    Wieder war der Beifall ohrenbetäubend. Der steinerne Gast sah nun schon ein klein wenig verlegen aus. Einen Moment lang stand er vollkommen reglos da, nur das Haupt leicht gebeugt. Dann wühlte er in seiner Tasche und warf eine Handvoll Silbermünzen neben sein Glas Stout, das er nicht angerührt hatte. Danach machte er kehrt und polterte steif zur offenen Tür hinaus, und das aufrechte Fähnlein älterer Damen folgte ihm auf dem Fuße.
    Tja, wir marschierten also alle zurück zu der Stelle, wo wir die Wagen gelassen hatten, und zunächst sagte keiner ein Wort. Wir warteten, dass alle einstiegen, und da meinte eine der älteren Damen: ›Also ich glaube, die haben sich über uns lustig gemacht.‹ Darauf hatte nun wiederum keiner etwas zu antworten, und so sagte ich (um die Stimmung zu bessern; ich hoffe, das ist Ihnen klar, Major): ›Könnte es nicht sein, dass sie einfach gerne gesungen haben, und das war das einzige Lied, das wir alle kannten?‹ Aber das wollte auch wieder keiner hören.
    Jetzt fiel uns auf, dass doch eine gewisse Unruhe herrschte. Evans war zurückgeblieben und hatte Ausschau nach jemandem gehalten, den er verprügeln konnte, um die gekränkte Ehre des Pater familias wiederherzustellen. Doch schon ein paar Augenblicke später bugsierten ihn zwei oder drei grinsende Eingeborene auf die Straße; die Jacke hatten sie ihm über den Kopf gezogen wie eine Zwangsjacke. Und das war alles. Keiner dankte ihm für dieses großartige Zeichen der Loyalität. Im Gegenteil, der Pater familias schnauzte ihn an, er solle endlich einsteigen und nicht

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