Troubles (German Edition)
Treppe heruntergestürmt kam. Er sah den Major an und rief: »Mann, was für ein Glück! Ich habe überall nach Ihnen gesucht.« Es war Boy O’Neill, mit weit aufgerissenen Augen und überhaupt allen Anzeichen größter Erregung.
»Ich weiß von Edward, dass Sie ein Zimmer mit Aussicht haben. Das macht Ihnen doch nichts aus, oder? Unten auf der Straße sieht man rein gar nichts. Die Damen warten oben auf dem Treppenabsatz. Schnell, sonst verpassen wir noch alles.«
Mrs. O’Neill und Viola wirkten erschöpft und mehr als gereizt; sie standen bei einem Fenster, dessen Aussicht von sehr ekstatischen und sehr dicken Damen vollkommen verstellt war. Als sie den Major sahen, hellten sich ihre Mienen auf.
Der Major schloss seine Zimmertür auf und trat beiseite, um den Damen den Vortritt zu lassen. Doch Boy O’Neill schubste sie beiseite, rannte durchs Zimmer und riss das Fenster auf, dass es nur so krachte. Das Schrillen von Dudelsäcken drang herein und wurde dann leiser, als die Spieler in Richtung College Green weitermarschierten.
»Die Irischen Garden«, stöhnte O’Neill. »Jetzt haben wir die Dudelsackpfeifer verpasst.« Er reckte den Hals. »Jetzt kommen die alten Kämpfer.«
Während ihr Vater und ihre Mutter gierig die unten vorbeiziehenden Truppen beäugten und die Namen der Regimenter aufzählten (das Royal Irish, die »Skins«, die Royal Irish Rifles, die Connaught Rangers, die Leinster, dann die Munster Fusiliers), warf Viola O’Neill, die mit dem Major am anderen Fenster Position bezogen hatte, diesem immer wieder lange Blicke zu und lächelte ihn an.
»Kommen auch Panzer, Major?«, fragte sie mit großen Augen.
»Denke schon«, antwortete der Major finster.
»Bestimmt bekomme ich Angst«, sagte Viola und fuhr sich mit der Zungenspitze über die geöffneten Lippen. »Ich meine, allein schon der Anblick.«
»Moment! Sind sie das?«, brüllte O’Neill vom anderen Fenster. »Das sind sie doch, oder?«
Viola heuchelte Interesse und beugte sich zum Fenster hinaus, um zu sehen, was ihren Vater so begeisterte. »Mir wird immer schwindlig von der Höhe«, versicherte sie dem Major. »Ich glaube, wenn ich mich weiter so vorlehne, falle ich noch hinaus.« Und ihre kleine Hand schmiegte sich in die große Pfote des Majors und drückte fest zu. Steif vor Schreck starrte der Major hinunter zu den Munster Fusiliers, die strahlend vorüberzogen. Dieses Kind flirtete mit ihm! Und sie konnte doch nicht älter als fünfzehn sein! Heute war ihr Haar zwar nicht zu Zöpfen gebändigt, sondern fiel in dicken, schimmernden Locken herab, aber sie kam dem Major eher noch jünger vor als damals, als er sie im Palmenhaus des Majestic zum ersten Mal gesehen hatte. Was, wenn die O’Neills plötzlich einen Blick zurück ins Zimmer warfen und sahen, wie er Händchen mit ihrer Tochter hielt?
»Jetzt kommen sie!«, schrie O’Neill von draußen. »Das sind sie! Das sind die Dubs! Ich sehe sie schon!«
Johlen und Applaus von unten auf der Straße nahmen ohrenbetäubende Ausmaße an, als die Dublin Fusiliers um die Ecke kamen. Viola lehnte sich ein wenig zurück und verzog bei dem Lärm das Gesicht, und der Major nützte die Gelegenheit, sich von ihrer Hand zu lösen. Doch unter dem Vorwand, etwas auf der Straße näher zu betrachten, drehte sie sich nun so hin, dass ihre duftenden Locken ihm über das Kinn strichen. Der Geruch von warmer Haut stieg von ihrem nackten Hals auf. Eilig trat der Major einen Schritt zurück und machte sich mit dem Anzünden seiner Pfeife zu schaffen. Und keinen Augenblick zu früh. Die O’Neills, heiser vom Hochrufen, hatten just in dem Augenblick beschlossen, ihre Köpfe wieder in den Raum zurückzuziehen.
Die Parade zog sich noch eine ganze Stunde lang hin – dem Major kam es wie eine Ewigkeit vor, und schließlich ließ er sich in einen Sessel mit der Zeitung nieder. Als die O’Neills dann endlich zum ersten Mal Panzer und Panzerwagen gesehen hatten (Viola hatte ergriffen geseufzt, als die Ungeheuer die Dame Street entlanggekrochen kamen, und den Major still um Beistand angefleht, mit ihren bezaubernden grauen Augen) und die Parade vorüber war, kehrte Boy zufrieden vom Fenster zurück und meinte noch kryptisch: »Das sollte den Kerlen zu denken geben.«
Sein Gesicht wirkte weniger lang und gelb als bei der ersten Begegnung im Majestic, und an die Stelle seiner schläfrigen Art waren nun nervöse Energie und Unruhe getreten. Es sei ihm nie besser gegangen, versicherte er dem Major. Er habe
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