Troubles (German Edition)
einen neuen Arzt gefunden, der wahre Wunder wirke … ja, er fühle sich als neuer Mensch. Auf die Spezialisten in der Harley Street, da gebe er keinen Penny. »Ich fühle mich wie ein neuer Mensch«, sagte er noch einmal, und kategorisch. Dabei blickte er sich wütend im Zimmer um, als erwarte er, dass der Major ihm widersprechen werde.
Die O’Neills wollten den Nachmittag und Abend in Kingstown zubringen. Im dortigen Hafen lagen zwei Schiffe, H.M.S.
Umpire
und H.M.S.
Parker
, die am Abend illuminiert sein würden, noch zusätzlich zu Freudenfeuern und Feuerwerk. Das werde sicher ein großartiger Abend. Ob der Major nicht mitkommen wolle? Doch der Major, dessen patriotische Begeisterung wieder einmal der Apathie gewichen war, lehnte ab. Er sagte nur unbestimmt, er müsse einen Bekannten besuchen. Als die O’Neills fort waren, aß er zu Mittag und machte dann einen Spaziergang. Die Straßen waren nach wie vor voller übermütiger, begeisterter Männer und Frauen aller Klassen, viele noch mit ihren Rosetten und Fähnchen. Doch jetzt (zumindest kam es dem Major in seiner verdrießlichen Stimmung so vor) hatte die Begeisterung schon etwas Zielloses. Der Frieden war gefeiert; jetzt galt es an die Zukunft zu denken. Die Gasthäuser machten gute Geschäfte, überall herrschte lauthals beste Laune. Immer wieder hörte er, wenn er an ihren offenen Türen vorüberkam, denselben Gesang: »Tipperary« und andere Lieder aus den ersten Kriegsjahren. Der Major fand, sie klangen jämmerlich und fehl am Platze. Dublin lebte immer noch in der heroischen Vergangenheit. Doch wie viele von denen, die hier feierten, hatten bei den Wahlen für die Sinn Fèin gestimmt?
Am Montagmorgen las der Major in der
Irish Times
, dass der Friedenstag ein rauschender Erfolg gewesen sei: »Die aus dem Kriegsdienst entlassenen Soldaten und Seeleute zeigten, dass die Kameradschaft der alten Kämpfer bleibt, auch auf der demokratischen Seite des Militärlebens. Männer mit Zylinder gingen neben solchen in Arbeitskluft. Gamaschen gingen im Gleichschritt mit Nagelstiefeln.« Berichtet wurde auch von einem Reservisten der Dubliner Füsiliere, der die gesamte Strecke von der Burg bis zum St. Stephen’s Green auf Krücken mitmarschiert war. Als sie dort anlangten, waren seine Hände blutig gescheuert. Auf die Frage, warum er denn nicht weggetreten sei, hatte er geantwortet: »Nein, ich wusste, dass das mein letzter Marsch wird, und da wollte ich nicht zurückbleiben, solange ich auch nur das kleinste bisschen Atem in mir hatte.«
Erst gegen Abend hatte es auch Zwischenfälle gegeben. Junge Männer mit Sinn-Fein-Flaggen hatten ein Spottlied gesungen und sich vor dem Postamt in der Sackville Street versammelt. Vereinzelt war es zu Handgreiflichkeiten gekommen, bis die Polizei kam und sie zerstreute. Später am Abend hatte eine große Menschenmenge einen Soldaten am Ormond Quay bedroht und wollte ihn in den Liffey werfen. Auf einen Polizeibeamten, der ihm zu Hilfe eilen wollte, war aus nächster Nähe geschossen worden, und er lag nun schwer verletzt im Krankenhaus. Doch wenn man den Glanz des Tages sehe, die Vornehmheit der Truppen bei der Parade, den Jubel der begeisterten Mengen, dann seien diese Vorfälle doch nur ein winziger Makel dieser rundum gelungenen, prächtigen Friedensfeier, ein Makel, der im Großen und Ganzen gesehen kaum ins Gewicht falle.
Der Major musste sich jetzt entscheiden, ob er Angela verlassen und nach England übersetzen wollte, oder ob er nach Kilnalough zurückkehrte, zurück zu seinen schweren, wenn auch unbestimmten Verpflichtungen als ihr Verlobter. Zu dem einen konnte er sich nicht durchringen, doch ebenso wenig zu dem anderen. So kam es, dass er einstweilen unentschlossen in Dublin blieb.
Einmal, als er mit der Straßenbahn aus Kingstown zurückkehrte, wo er den Nachmittag über den Jachten zugesehen und in Teestuben gesessen hatte, fand er sich plötzlich mitten in einem Aufruhr. Die Bahn war stehengeblieben, am Ende der Northumberland Road knapp vor der Kanalbrücke. Eine große Menschenmenge war zusammengelaufen, Automobile hielten auf beiden Brücksenseiten. Sämtliche Trampassagiere waren aufgesprungen, um zu sehen, was los war. Der Major hatte ungeduldig beschlossen, zu Fuß weiterzugehen, und kämpfte sich durch die Menge vor bis zur Brücke. Plötzlich waren ganz in der Nähe Schüsse zu hören, die Menge wich zurück und drückte ihn an das Geländer. Beinahe wäre er gestürzt, aber irgendwie konnte er sich doch
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