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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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nicht immer da sein, um für dich zu sorgen, weißt du?«), als sich auf ein so grausiges Schicksal einzulassen? Die einzige Unterstützung, die sie erfahren habe, sei von ganz unerwarteter Seite gekommen, nämlich von dem unglaublich alten und unerträglichen Dr. Ryan, in dem sie immer ihren »Erzfeind« gesehen habe. Der hatte ihrem Vater rundheraus gesagt, er sähe seine Tochter lieber mit einem Gorilla aus dem Dubliner Zoo verheiratet als mit besagtem Land-Lothario, und wenn ihm auch nur noch einmal von dieser Sache etwas zu Ohren komme, werde er dafür sorgen, dass seine sämtlichen Patienten in Kilnalough mit ihrem Geld zu einer anderen Bank gingen. Im Augenblick herrsche also Waffenstillstand. Aber wie lange werde der halten? Je mehr Bedenkzeit er bekomme, desto mehr wolle ihr Vater sie verheiraten. Da war es kein Wunder, dass diese »unaussprechliche Krankheit« sie übermannt hatte. Vielleicht werde sie, wie die arme Angela, einfach vergehen, und wahrscheinlich würde kein Mensch um sie trauern. Der Major, da sei sie sich sicher, werde sie nicht im Geringsten vermissen.
    Und vielleicht hatten ihre Eltern ja recht. Wer wisse das schon? Vielleicht gab es ja im Grunde gar keinen Unterschied zwischen den Männern. Sind wir denn überhaupt (überlegte sie manchmal, auch wenn solche Gedanken zweifellos Sünde waren) soviel anders als die Tiere? Und Tiere machten kein solches Aufhebens wegen solcher Sachen.
    Ach übrigens, ein kurioses Detail an ihrem »ländlichen Verehrer« habe sie noch vergessen (der Mann heiße übrigens Mulcahy): im Knopfloch trug er einen schmucklosen goldenen Ring. Sie hatte ihn gefragt, wofür der stehe.
»An Fáinne«
, hatte er geantwortet. Sie habe ja Augen im Kopf, hatte sie ihm ungeduldig gewantwortet. Aber wofür der
stehe
, das wolle sie wissen. Oh, sie spreche also Irisch? Nur ein klein wenig, hatte sie geantwortet, denn sie wollte ja von ihm keinen Respekt. Also, das sei so eine Zirkel von Leuten, die Irisch sprächen, hatte er erklärt; an dem Ring würden sie sich erkennen und könnten sich dann auf Irisch ansprechen statt in der fremden Sprache. Offenbar hatten sie eine Klause: ein Häuschen tief in der ländlichen Abgeschiedenheit, wo junge Männer und Frauen sich trafen, allesamt eifrig bemüht, die irische Sprache wiederzubeleben, in der sie von morgens bis abends miteinander schnatterten. Habe der Major schon je etwas so Großartiges gehört? Das sei der eine Punkt, der für Mulcahy spreche (zugegebenermaßen aber auch der einzige). Er habe sogar gefragt, ob sie nicht bei dem Zirkel mitmachen wolle (aber zweifellos mit schmutzigen Hintergedanken). Der »ländliche Verehrer«, auch wenn er als Kandidat nicht in Frage kam, auch wenn es einfach unmöglich war, hatte also doch immerhin diesen einen kleinen Punkt auf seinem Konto.

Ein paar Tage darauf habe sie einen jungen Engländer kennengelernt, einen Offizier aus dem Lager in Curragh, der ein paar Tage bei seinem Onkel verbrachte, und dem hatte sie von diesem Plan erzählt, dass die Leute Irisch miteinander reden sollten. »Wie bizarr!«, hatte er ausgerufen. »Wie wunderbar! Wie originell!«, und dann hatte er ihr von einem Club erzählt, in dem er in Oxford Mitglied gewesen war und der versucht hatte, in Gespensterhäusern Kontakt mit Poltergeistern aufzunehmen.
    Aber der Major werde sich für dieses langweilige Geschwätz aus den Provinzen ja nicht interessieren, schließlich sei er in London, im Zentrum von allem, im Zentrum des Empires, ja »des Lebens«! Sie habe seine Gutmütigkeit wieder einmal ausgenützt, indem sie endlos über sich selbst und ihre kleinen Sorgen geplaudert habe. Wahrscheinlich denke er ja über sie das gleiche wie sie über ihren kuhdummen Verehrer Mulcahy. Und inzwischen seien ihre Finger auch so klamm, dass sie »gleich abfallen«, die Wärmflaschen rechts und links seien wie Eisklötze, auch auf ihrem Tintenfass stehe schon Eis, und in ihrem Zimmer sei es so kalt, dass bei jedem Atemzug das Papier, auf das sie schreibe, unter der Atemwolke verschwinde. Das Wetter sei entsetzlich, so kalt und so feucht, das könne man sich überhaupt nicht vorstellen, und die Tage seien so trübe, dass man selbst am Mittag das Gaslicht aufdrehen müsse, wenn man etwas lesen oder nähen wolle. Was war das doch für ein Elend, denke der Major jetzt sicher, wenn man eine Frau in Irland war, wenn man in Irland leben musste, wenn man seine Tage in Irland verbrachte in dem ewigen Regen und dem grimmigen Winter, und

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