Troubles (German Edition)
Zukunft« der Spencers dem Schoß einer Katholikin »aus den irischen Sümpfen« entspringen sollte (eine Tochter von Kardinal Newman, das wäre schon etwas anderes gewesen). In diesen Zeiten der Bedrohung musste man die Reihen schließen und nicht noch die Türen aufstoßen … das ging ihm jedenfalls durch den Kopf, als er sich nun in den Gängen des Majestic auf die Suche nach »dem verfluchten« ältlichen Telegrammboten machte (es
war
doch ein Telegrammbote gewesen?). Doch die beiden hatten sich bereits verpasst, denn Mr. Noonan, des Wartens überdrüssig, war Richtung Westflügel losgezogen, Edward nahm den Weg nach Osten.
Während sie sich nach und nach wieder aufeinander zu arbeiteten, kehrten Edwards Gedanken zu der entscheidenden, unüberbrückbaren Kluft zwischen ihnen zurück, dem Katholizismus der Noonans: dem ungesunden Geruch von Weihrauch, den unglaublichen und bizarren Kirchenlehren, den riesigen Familien, die durch Unbildung und eine Doktrin des »je mehr Seelen, desto besser« (egal ob ihre Träger Schuhe an den Füßen hatten oder nicht) entstanden, die absurde Schwadron der Heiligen, die über ihnen ihre Kreise zog wie Kunstflieger, allzeit bereit, dem Fußvolk unten zu Hilfe zu eilen (wobei jeder sein Spezialgebiet hatte), der Papst mit seinem grotesken Pomp, die Gottesdienste aus lateinischem Geplapper, das kein Mensch verstand, am wenigsten die einfältigen, beschränkten und bigotten Priester. Na, so etwas musste er sich nicht unbedingt überlegen; es gehörte zur Grundausstattung jedes irischen Protestanten.
Eben kam er am Fuß der Treppe zu den Dienstbotenkammern vorbei, und ihm fiel wieder die Beschwerde der Mädchen ein, dass es dort Ratten gebe. Natürlich herrschte im Keller kein Mangel an ihnen, aber wer hatte je von Ratten in den oberen Stockwerken gehört? Das war mit Sicherheit Unsinn; aber wo er nun einmal hier war, konnte er sich ja umschauen.
Die Inspektion zog sich nicht lange hin, und wie erwartet lief ihm kein einziger Nager über den Weg. Angewidert schaute er in die engen kleinen Zimmer mit ihren schrägen Decken. Es roch seltsam und fremdartig dort, ein Geruch, den er nicht zuordnen konnte; vielleicht war es billiges Parfüm, das in den Sonntagskleidern hängenblieb (wenn er den Dienstmädchen in Kilnalough begegnete und sie nicht ihre Uniform anhatten, erkannte er sie oft nicht und schaute sie verdattert an, wenn sie ihn grüßten). Aber was immer es war, ihm kam es vor, als habe es mit den entsetzlich vulgären Andachtsbildern an den Wänden zu tun, mit den schokoladenbraunen Perlen des Rosenkranzes auf dem Nachttisch, mit dem Kruzifix über dem Bett.
»Aufklärung, das brauchen die Menschen hier. Und solche Leute glauben, sie können ein Land regieren!«
Überzeugt, dass die Ratten Einbildung waren, nahm Edward seine halbherzige Suche nach dem Telegrammboten wieder auf.
Mr. Noonan hatte gerade etwas Merkwürdiges erlebt. Auf dem Gang war ihm mit raschen Schritten ein Dienstmädchen entgegengekommen, das ein Tablett mit Teetassen und getoasteten Scones trug, dazu einen großen und (das musste man zugeben) verlockenden Mohnkuchen. Er hatte sie zu sich herangewunken. »Kommen Sie mal hier herüber«, hatte er gesagt. Doch zu seiner Überraschung machte das Mädchen, kaum dass sie ihn gesehen hatte, kehrt und floh zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. Da er nicht wusste, wie schwierig es war, im Majestic Nachmittagstee zu bekommen, wie viel Überredungskunst und Schmiergelder man dazu brauchte, welch mörderische Fehden schon daraus entstanden waren, dass ein Gast einen anderen dabei beobachtet hatte, wie er sich in einer abgelegenen Ecke zu einer Tasse Tee und einer Scheibe Toast niedergesetzt hatte, war Mr. Noonan von diesem Betragen verblüfft.
»Wo ist der Hausherr?«, rief er ihr nach. Aber sie war fort, und er konnte nur noch dem leiser werdenden Klappern ihrer Schritte auf dem Steinboden lauschen. Ein wenig später bemerkte er allerdings, dass ihm jemand, wenn auch sehr langsam, durch den Korridor folgte. Es handelte sich um eine alte Dame, eine vornehme Frau, ihrer Kleidung nach zu urteilen; sie bewegte sich mit Hilfe zweier Krückstöcke, die sie einen nach dem anderen fest vor sich in den Boden drückte, wie ein Bergführer in den Alpen. Er blieb stehen, damit sie ihn einholen konnte, und sie näherte sich keuchend, mit auf den Boden gerichtetem Blick.
»Wo ist Mr. Spencer?«, fragte er streng.
Die Dame hob ihren wässrigen Blick und musterte
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