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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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er besaß, auf sie abstrahlte, durch die Küsse, die er auf ihr Gesicht, ihren Hals drückte. Sie knöpfte sein Hemd auf, atmete seinen Duft ein. Jeder allzu flüchtige Hauch davon, den sie während ihrer Begegnungen in den letzten Wochen hatte aufschnappen können, hatte sich irgendwie in ihr Gedächtnis eingebrannt, und jetzt wirkte sein Geruch auf sie ebenso vertraut wie berauschend.
    »Wenn wir aufhören wollen«, murmelte er, »dann hören wir besser jetzt auf.«
    »Ich will nicht aufhören.«
    »Ich bin nicht vorbereitet – ich meine, ich habe nichts dabei –«
    »Das macht nichts. Das macht gar nichts«, hörte sie sich sagen, ohne zu wissen, ob es wirklich nichts machte – es war ihr auch gleichgültig, so groß war ihr Verlangen nach seiner Berührung.
    »Noah«, sagte er. »Was ist, wenn Noah aufwacht ...«
    Jetzt öffnete sie die Augen, und ihre Blicke trafen sich. Sie hatte ihn noch nie zuvor so gesehen; der Schein des Feuers fiel auf sein Gesicht, und in seinen Augen leuchtete das pure Verlangen.
    »Oben«, sagte sie. »In meinem Schlafzimmer.«
    Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen.»Kann man die Tür abschließen?«
    Sie liebten sich dreimal in dieser Nacht. Das erste Mal war es ein besinnungsloses Aufeinanderprallen von Körpern, ein Gewirr von Armen und Beinen, dann die bebende Explosion tief im Innern. Das zweite Mal war es die langsame Vereinigung von Liebenden – tiefe Seelenblicke, die Berührung und der Duft des anderen schon vollkommen vertraut.
    Als sie sich zum drittenmal liebten, war es, um Abschied zu nehmen.
    Sie waren in den frühen Morgenstunden aufgewacht und hatten einander in der Dunkelheit gesucht und gefunden. Sie sprachen kein Wort, ihre Körper fanden wie von selbst zueinander, wie zwei Hälften, die ineinandergleiten und ein Ganzes bilden. Als er sich ohne einen Laut in ihr entlud, war es, als ob er Tränen der Freude und des Leids vergösse. Tränen der Freude, weil er sie gefunden hatte.
    Tränen des Leids wegen all dessen, dem sie sich nun würden stellen müssen. Doreens Zorn. Noahs Widerstand. Einer Stadt, die Claire vielleicht nie akzeptieren würde.
    Er wollte nicht, daß Noah sie zusammen im Bett fand, als der Morgen kam. Noch war er ebensowenig wie Claire bereit, sich mit den Auswirkungen ihres Handelns auseinanderzusetzen. Es war noch dunkel, als Lincoln sich anzog und das Haus verließ.
    Von ihrem Schlafzimmerfenster aus sah sie seinen Truck wegfahren. Sie hörte das laute Knirschen des Eises unter den Reifen und wußte, daß die Nacht noch einmal kälter geworden war, daß an diesem Morgen allein schon das Atmen schmerzhaft sein würde. Lange, nachdem die Rücklichter in der Dunkelheit verschwunden waren, stand sie noch am Fenster und blickte durch die vom Mondlicht versilberten Eiszapfen nach draußen. Sie fühlte bereits seine Abwesenheit. Und sie fühlte noch etwas anderes, ebenso unerwartet wie bedrückend: die Schuldgefühle einer Mutter, die egoistisch ihren eigenen Bedürfnissen, ihren eigenen Leidenschaften nachgegeben hatte.
    Sie ging den Flur entlang zu Noahs Tür. Drinnen war alles still; sie wußte, wie tief sein Schlaf war, und sie war sicher, daß er nichts von dem mitbekommen hatte, was sich in der Nacht in ihrem Schlafzimmer abgespielt hatte. Sie trat ein und ging die paar Schritte durch das dunkle Zimmer zu seinem Bett.
    Als er noch ein kleines Kind gewesen war, hatte Claire oft am Bett ihres schlafenden Sohnes gestanden, hatte sein Haar gestreichelt und den Duft von warmer Bettwäsche und von Seife eingeatmet. Heute erlaubte er ihr so wenig Körperkontakt, daß sie fast vergessen hatte, wie es war, ihn zu berühren, ohne daß er automatisch von ihr abrückte. Wenn ich dich doch nur wiederhaben könnte. Sie beugte sich hinunter und küßte ihn auf die Augenbraue. Er stöhnte und drehte sich weg, wandte ihr den Rücken zu. Sogar im Schlaf, dachte sie, versucht er sich mir zu entziehen.
    Sie wollte sich gerade wieder aufrichten, als sie plötzlich erstarrte, die Augen auf sein Kopfkissen geheftet. Auf den phosphoreszierenden grünen Fleck an der Stelle, wo Noahs Gesicht geruht hatte.
    Ungläubig berührte sie den Fleck und spürte dort eine Feuchtigkeit wie von noch warmen Tränen. Sie starrte auf ihre Fingerkuppen.
    Sie glimmerten gespenstisch in der Dunkelheit.

19
    »Ich muß wissen, was in diesem See wächst, Max. Und ich muß es noch heute wissen.«
    Max bedeutete ihr voranzugehen und schloß die Tür seines Bungalows gegen den bitterkalten

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