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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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entgegengenommen, bei denen es um tätliche Angriffe von Jugendlichen auf andere ging. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich bin seit zweiundzwanzig Jahren Cop in dieser Stadt. Ich habe kleinere Wellen von Verbrechen kommen und gehen sehen.
    Aber was ich jetzt erlebe – Kinder, die versuchen, einander zu verletzen, einander zu töten – die Menschen zu töten, die sie lieben ...« Er schüttelte den Kopf und setzte sich ohne ein weiteres Wort wieder hin.
    »Miss Cornwallis?« sagte Ryder.
    Die Rektorin der High School stand auf. Fern Cornwallis war eine attraktive Frau, und sie hatte einiges dafür getan, an diesem Abend besonders gut auszusehen. Ihr blondes Haar war zu einem glänzenden Knoten gebunden, und sie war eine der wenigen Frauen im Saal, die sich die Mühe gemacht hatten, Make-up aufzulegen. Aber der leuchtende Farbtupfer ihres Lippenstifts betonte nur die Blässe ihres sorgenvollen Gesichts.
    »Ich kann nur all das wiederholen, was Chief Kelly gesagt hat. Was in dieser Stadt geschieht – die Aggressionen, die Gewalt-, das habe auch ich noch nie zuvor erlebt. Und das Problem liegt nicht nur in den Schulen. Es ist ein Problem, das Sie auch zu Hause haben. Ich kenne diese Kinder! Ich habe verfolgt, wie sie großgeworden sind. Ich habe sie in der Stadt gesehen, in den Korridoren der Schule. Oder in meinem Büro, wenn es einen Anlaß dafür gab. Und unter denjenigen, die jetzt in Streitereien und Schlägereien verwickelt sind, ist kein Kind, das ich zu den Unruhestiftern gerechnet hätte. Keines von ihnen hat in den vergangenen Jahren irgendwelche Anzeichen dafür erkennen lassen, daß es zu Gewalt neigen würde. Aber plötzlich muß ich feststellen, daß mir diese Kinder fremd geworden sind. Ich erkenne sie nicht wieder.« Sie hielt inne und schluckte krampfhaft.
    »Ich habe Angst vor ihnen«, sagte sie leise.
    »Und wer ist schuld daran?« rief Ben Doucette.
    »Wir sagen nicht, daß irgend jemand Schuld hat«, antwortete Fern. »Wir versuchen nur zu verstehen, warum dies alles geschieht. Unsere Schule hat zusammen mit der Mittelschule kurzfristig fünf neue Berater engagiert. Ein Psychologe, Dr. Lieberman, arbeitet eng mit dem Lehrkörper unserer Schule zusammen. Sie versuchen, einen Aktionsplan zu entwickeln.«
    Ben stand auf. Er war ein griesgrämiger Junggeselle in den Fünfzigern, der in Vietnam einen Arm verloren hatte, und er hielt den Stumpf ständig mit seiner verbliebenen Hand umklammert, wie um sein Opfer zu betonen. »Ich kann Ihnen sagen, wo das Problem liegt«, verkündete er. »Es ist das gleiche Problem, das wir im ganzen Land haben. Keine verdammte Disziplin. Als ich dreizehn war, meinen Sie, ich hätte es gewagt, ein Messer zu nehmen und meine Mutter damit zu bedrohen? Mein Alter hätte mir ganz schön eins übergezogen,«
    »Was wollen Sie denn damit sagen, Mr.Doucette?« erwiderte Fern. »Daß wir unsere Vierzehnjährigen verprügeln sollen?«
    »Warum nicht?«
    »Versuch’s doch!« rief einer der Teenager, und die anderen stimmten ein und riefen höhnisch im Chor: » Versuch ’s doch, versuch’s doch, versuch’s doch! «
    Die Versammlung geriet außer Kontrolle. Lincoln stand auf und bat mit erhobener Hand um Ruhe. Es war ein Beweis für den Respekt, den er in der Stadt genoß, daß die Menge sich schließlich beruhigte und ihm zuhörte.
    »Es wird Zeit, daß wir über realistische Lösungen reden«, sagte er.
    Jack Reid erhob sich. »Was sollen wir über Lösungen reden, wenn wir nicht mal darüber gesprochen haben, warum das alles passiert. Meine Jungs sagen mir, es sind die Neuen an der Schule, die aus anderen Städten hierhergezogen sind. Die machen den meisten Ärger.
    Gründen Gangs, bringen vielleicht sogar Drogen mit.«
    Lincolns Erwiderung ging in einem plötzlichen Crescendo von Stimmen unter. Claire konnte die Frustration in seinem Gesicht sehen, die immer tiefer werdende Zornesröte.
    »Das ist kein importiertes Problem«, sagte Lincoln. »Es ist eine lokale Krise. Es ist unser Problem, und es sind unsere Kinder, die in Schwierigkeiten geraten.«
    »Aber wer hat sie darauf gebracht?« fragte Reid. »Wer hat sie angestachelt? Gewisse Leute gehören einfach nicht hierher!«
    Glen Ryders Hammer sauste ein ums andere Mal herab, doch die Wirkung war gleich Null. Jack Reid hatte einen wunden Punkt bei diesen Menschen berührt, und jetzt schrien alle durcheinander.
    Eine weibliche Stimme erhob sich über den Lärm. »Was ist mit den Gerüchten über einen jahrhundertealten

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