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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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aber offensichtlich teuer und von guter Qualität.
    Tate sagte: »Ich gehe ins Arbeitszimmer. Du solltest dich ein wenig ausruhen, damit du dich langsam wieder eingewöhnst. Wenn du...«
    Die Art, wie Avery scharf einatmete, ließ ihn innehalten. Er folgte der Richtung, die ihr Blick nahm — zu dem lebensgroßen Porträt von Carole, das an der gegenüberliegenden Wand hing. »Was ist los?«
    Mit einer Hand an der Kehle schluckte Avery und sagte: »Nichts. Nur... nur, ich sehe eben kaum noch so aus wie damals.« Es war beunruhigend, der einzigen Person so in die Augen zu sehen, die wissen könnte, daß sie eine Betrügerin war. Diese dunklen Augen machten sich über sie lustig.
    Sie wandte den Blick ab, sah zu Tate auf und strich sich über das kurze Haar. »Ich glaube, ich habe mich doch noch nicht so ganz an die Veränderungen gewöhnt. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich das Porträt herunternehme?«
    »Warum sollte es mir etwas ausmachen? Dies ist dein Zimmer. Du kannst damit tun und lassen, was immer dir gefällt.« Er ging zur Tür. »Wir sehen uns dann beim Abendessen.« Er schloß die Tür fest hinter sich.
    Seine Mißachtung war unbestreitbar. Sie fühlte sich, als hätte man sie in der Antarktis ausgesetzt. Er hatte sie abgesetzt, wo sie hingehörte, und betrachtete damit seine Pflicht als erledigt.
    Dies ist dein Zimmer.
    Das Schlafzimmer war so außergewöhnlich sauber, als hätte es schon seit langer Zeit niemand mehr benutzt. Avery vermutete, daß hier seit drei Monaten, seit Carole es am Morgen des Absturzes verlassen hatte, niemand mehr geschlafen hatte.
    Sie öffnete die Tür zum Wandschrank. Es hingen genug Kleider darin, um eine ganze Armee auszustatten, aber es waren nur Frauenkleider — vom Pelzmantel bis zum zartesten Frisierumhang. Nichts in dem Wandschrank gehörte Tate, und genauso war es bei Kommode und Toilettentisch.
    Avery ließ sich mutlos auf die Kante des breiten Doppelbettes sinken. Dein Zimmer, hatte er gesagt, nicht unseres.
    Na ja, dachte sie trübsinnig, dann brauchte sie sich ja keine Sorgen mehr darüber zu machen, was geschehen könnte, wenn er seinen ehelichen Pflichten nachkommen wollte. Diese Bedenken waren gegenstandslos geworden. Sie würde deshalb keine intimeren Beziehungen zu Tate haben, weil er keine mehr mit seiner Frau gehabt hatte.
    Angesichts seiner Haltung in den letzten paar Wochen war das keine allzu große Überraschung, aber eine riesige Enttäuschung. Aber sie empfand auch Scham. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, unter falschen Voraussetzungen mit ihm zu schlafen — sie wußte nicht einmal, ob sie das überhaupt wollte. Es wäre falsch... Und dennoch ...
    Sie sah zu dem Porträt auf. Carole Rutledge schien mit böswilligem Vergnügen auf sie herabzulächeln. »Du Hündin«, flüsterte Avery scharf. »Ich werde wieder gutmachen, was du ihm an getan hast, was immer es auch war. Du wirst schon sehen.«
     
    »Hast du auch genug zu essen bekommen?«
    Als Avery bemerkte, daß Nelson mit ihr gesprochen hatte, lächelte sie ihm über den Tisch hinweg zu. »Ja, natürlich. Das Essen in der Klinik war gut, aber hier schmeckt es mir besser.«
    »Du hast sehr abgenommen«, stellte er fest. »Wir müssen dich ein bißchen aufpäppeln. Ich dulde keine Schwächlinge in meiner Familie.«
    Sie lachte und griff nach ihrem Weinglas. Sie mochte Wein nicht besonders, aber Carole hatte offensichtlich eine Vorliebe dafür gehabt. Man hatte ihr ein Glas eingeschenkt, ohne sie zu fragen. Während des Essens hatte sie immer wieder kleine Schlucke getrunken, so daß jetzt das Glas mit dem Burgunder fast leer war.
    »Dein Busen ist fast ganz flach geworden.« Fancy, die Avery gegenübersaß, balancierte gelangweilt ihre Gabel zwischen zwei Fingern, während sie diese bissige Feststellung machte.
    »Fancy, bitte unterlaß derart unhöfliche Bemerkungen«, ermahnte sie Zee.
    »Ich war nicht unhöflich. Nur ehrlich.«
    »Takt ist eine ebenso bewundernswerte Eigenschaft wie Ehrlichkeit, junge Dame«, erklärte ihr Großvater ernst von seinem Platz am Kopfende des Tisches.
    »Herrgott, ich hab’ doch nur...«
    »Und es steht keiner Frau gut an, den Namen des Herrn zu mißbrauchen«, fügte er noch kühl hinzu. »Und von dir dulde ich es auf keinen Fall.«
    Fancy ließ mit lautem Klirren die Gabel auf ihren Teller fallen. »Ich versteh’ das nicht. Alle in dieser Familie haben darüber geredet, wie mager sie ist. Ich besitze als einzige genügend Mut, es ihr ins Gesicht zu sagen,

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