Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
Schönheit der High School von Lampasas gewesen.
Ihr Daddy, ein wohlbekannter Anwalt, betete seine einzige Tochter an. Die Art und Weise, wie er sie verehrte, hatte alle, die sie kannten, mit Neid erfüllt. Er war zweimal im Jahr mit ihr nach Dallas gefahren, um in den bekannten Geschäften Ballkleider für sie zu kaufen. Und an ihrem sechzehnten Geburtstag hatte er ihr ein brandneues Corvette-Cabrio geschenkt.
Ihre Mutter hätte beinahe einen Anfall bekommen wegen des großen Autos. Hancock hatte seiner Frau einen guten Drink gemixt und ihr erklärt, daß er sie gefragt hätte, wenn er wert auf ihre nutzlose Meinung gelegt hätte.
Nachdem Dorothy Rae die High School erfolgreich abgeschlossen hatte, war sie mit Glanz und Gloria aufgebrochen, um die Universität von Texas in Austin zu besuchen. Sie begegnete Jack Rutledge in ihrem ersten Jahr, verliebte sich Hals über Kopf und beschloß, ihn ganz für sich zu gewinnen. Nie in ihrem Leben hatte man ihr etwas abgeschlagen, und sicher würde sie den einzigen Mann bekommen, den sie wirklich liebte.
Jack, der sich gerade durch das zweite Jahr seines Jurastudiums quälte, hatte sich auch in Dorothy Rae verliebt, aber er wollte an eine Ehe nicht einmal denken, bevor er nicht sein Studium beendet hatte. Sein Vater erwartete von ihm nicht nur, daß er den Abschluß schaffte, sondern auch, daß er seine Mitstudenten übertraf. Aber sein Vater erwartete auch ritterliches Verhalten Frauen gegenüber.
Als Jack schließlich der Versuchung nachgab und Dorothy Rae Hancock von ihrer Jungfräulichkeit befreite, war er nicht ganz schlüssig, was jetzt den Vorrang hatte, seine Ritterlichkeit gegenüber der Dame oder seine Verantwortung gegenüber den Erwartungen seiner Eltern. Dorothy Rae zwang ihn dann zu einer Entscheidung, als sie ihm weinend mitteilte, daß ihre Periode ausgeblieben sei.
Voller Panik überlegte Jack, daß eine Heirat zum falschen Zeitpunkt immer noch besser sei als ein uneheliches Kind, und er hoffte, daß Nelson ebenso darüber dachte. Er und Dorothy Rae fuhren übers Wochenende nach Oklahoma, ließen sich im stillen trauen und teilten ihren Eltern erst nach der Zeremonie die frohe Botschaft mit.
Nelson und Zee waren enttäuscht, aber nachdem Jack ihnen versichert hatte, daß er sein Jurastudium beenden würde, hießen sie Dorothy Rae in der Familie willkommen.
Die Hancocks aus Lampasas reagierten nicht ganz so erfreut auf die Nachricht. Dorothy Raes Daddy hätte die Neuigkeit beinahe umgebracht. Genaugenommen starb er einen Monat später an einem Herzanfall. Ihre labile Mutter wurde in eine Klinik für Alkoholiker gebracht. Am Tag ihrer Entlassung mehrere Wochen später erklärte man sie für kuriert. Drei Tage später fuhr sie mit ihrem Auto im Rausch gegen ein Brückengeländer. Sie starb beim Aufprall.
Francine Angela wurde erst achtzehn Monate nach Dorothy Raes Trauung mit Jack geboren. Das war entweder die längste Schwangerschaft aller Zeiten, oder sie hatte ihn zur Ehe überlistet.
Er hatte ihr keines von beidem je vorgeworfen, aber sie erlitt, wie als selbstauferlegte Strafe, schnell nacheinander zwei Fehlgeburten, als Fancy noch ein Baby war.
Da sich die zweite Fehlgeburt als lebensbedrohlich erwiesen hatte, wurden ihr die Eileiter durchtrennt, um weitere Schwangerschaften zu verhindern. Um die körperlichen, geistigen und gefühlsmäßigen Schmerzen zu dämpfen, die ihr das bereitete, tröstete sich Dorothy Rae jeden Nachmittag mit einem Cocktail. Und als das nichts mehr half, versuchte sie es mit einem zweiten.
»Wie kannst du noch in den Spiegel schauen«, fragte sie jetzt ihren Mann, »wenn du weißt, daß du die Frau deines Bruders liebst?«
»Ich liebe sie nicht.«
»Ach, wirklich?« Sie beugte sich vor und füllte die Luft zwischen ihnen mit den beißenden Alkoholdämpfen ihres Atems. »Du haßt sie, weil sie dich wie ein Stück Dreck behandelt. Sie benutzt dich als Fußabstreifer. Und du siehst nicht einmal, daß all diese Veränderungen an ihr nur –«
»Was für Veränderungen?« Statt seine Hose auf den Bügel zu hängen, ließ er sie auf einen Stuhl fallen. »Sie hat uns erklärt, warum sie mit der linken Hand schreibt.«
Nachdem sie seine Aufmerksamkeit errungen hatte, richtete sich Dorothy Rae ganz gerade auf und nahm das überlegene Aussehen an, das nur Trinkern so gelingt. »Andere Veränderungen«, sagte sie erhaben. »Sind sie dir nicht aufgefallen?«
»Mag sein. Wie zum Beispiel?«
»Wie die Aufmerksamkeit, die sie
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