Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
draußen zwischen den Geranientöpfen.
Sie erstarrte. Ihr erwartungsvolles, freundliches Lächeln erstarrte, und ihre Knie wurden weich.
Van reagierte mit ähnlicher Unruhe. Seine lässige Pose wurde sofort korrigiert. Die Zigarette fiel ihm aus den Fingern. Er blinzelte mehrmals.
Avery, die hoffte, daß seine Pupillen vom Marihuana geweitet waren und nicht vor Schreck, versuchte, sich so gut wie möglich zu fassen. »Hallo.«
»Tag, äh...« Er schloß einen Augenblick die Augen und schüttelte den Kopf mit den strähnigen Haaren. »Äh, Mrs. Rutledge?«
»Ja?«
Er legte eine knochige Hand über sein Herz. »Mein Gott, einen Moment lang haben Sie ausgesehen wie...«
»Kommen Sie doch bitte herein.« Sie wollte nicht, daß er ihren Namen aussprach. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, aber sie hatte diese Sache allein begonnen, und wenn sie sich Van anvertraute, würde sie ihn damit auch gefährden. So tröstlich es sein könnte, einen Verbündeten zu haben — es wäre auch gefährlich. Außerdem war Van nicht allzu verläßlich.
Sie trat zur Seite, und er kam herein. Avery tat es leid, daß er so verwirrt war. »Sie sind...?«
»Oh, Entschuldigung.« Er wischte unsicher seine Handflächen an seiner Jeans ab und streckte dann seine Rechte aus. Sie schüttelte sie schnell. »Van Lovejoy.«
»Ich bin Carole Rutledge.«
»Ich weiß. Ich habe Sie gesehen, als Sie aus dem Krankenhaus kamen. Ich arbeite für KTEX.«
»Ich verstehe.«
Obwohl er versuchte, sich normal mit ihr zu unterhalten, wandte er seinen Blick nicht ab. Sie hätte ihm am liebsten Tausende von Fragen gestellt, entschloß sich aber zu der einen, die Carole als nächste gefragt hätte.
»Wenn Sie als Vertreter des Fernsehsenders hier sind, hätten Sie dann nicht besser zuerst mit Mr. Paschal, dem Wahlkampfleiter meines Mannes, gesprochen?«
»Er weiß, daß ich komme. Die Produktionsfirma hat mich hergeschickt.«
»Die Produktionsfirma?«
»Ich werde hier nächsten Mittwoch Aufnahmen für eine Sendung machen. Heute bin ich hier, um mir den Drehort anzusehen.«
Nelson kam in die Eingangshalle und betrachtete Van mit einem mißbilligenden Blick. Nelson war immer militärisch korrekt gekleidet. Er hatte nie knautschige Hosen an, und nie lag auch nur eines seiner grauen Haare am falschen Platz.
Van war das genaue Gegenteil. Sein formloses T-Shirt warb für ein Restaurant, das frische Austern anbot. Der zweideutige Slogan auf dem Hemd hieß: »Knack mich, schlürf mich, iß mich roh.« Seine Jeans waren nicht nur modisch abgetragen, sondern regelrecht fadenscheinig. In seinen alten Tennisschuhen waren keine Schnürsenkel. Avery bezweifelte, daß er ein Paar Socken überhaupt besaß, weil er nie welche trug.
Er sah ungesund und unterernährt aus. Seine eckigen Schulterblätter zeichneten sich unter dem T-Shirt ab. Wenn er gerade gestanden hätte, wäre jede seiner Rippen sichtbar gewesen. Aber jetzt waren seine Schultern krumm und seine Brust nach innen gezogen.
Avery wußte, daß diese nikotinfleckigen Händen mit den abgebrochenen, schmutzigen Fingernägeln sehr geschickt im Umgang mit der Videokamera waren. Nelson sah jedoch nur den alternden Hippie — ein verschwendetes Leben. Vans Talent war ebenso gut versteckt wie Averys wahre Identität.
»Nelson, das ist Mr. Lovejoy. Mr. Lovejoy, das ist Colonel Rutledge.« Nelson schien ungern seine Hand zu ergreifen und hielt sie so kurz wie möglich. »Er ist hier, um sich umzusehen, weil er die Aufnahmen für die Fernsehsendung nächste Woche vorbereitet.«
»Sie arbeiten für MB-Productions?« fragte Nelson steif.
»Ich arbeite manchmal freiberuflich für sie. Wenn sie besonders gute Arbeit wollen.«
»Ich werde Ihnen alles zeigen. Was möchten Sie sehen, das Haus?« bot Nelson widerwillig an.
»Die Räume, in denen Rutledge, seine Frau und sein Kind normalerweise ihren Tag verbringen. Die Gesellschaft will es volkstümlich-nachbarschaftlich haben. Sentimentalen Mist.«
»Sie können von dem Haus sehen, soviel Sie wollen, zu meiner Familie werden Sie allerdings keinen Zugang haben, Mr. Lovejoy. Meine Frau würden die Worte auf Ihrem Hemd beleidigen.«
»Sie trägt es doch nicht, also warum, zum Teufel, sollte es ihr etwas ausmachen?«
Nelsons blaue Augen wurden eisig. Er war es gewöhnt, von jedem, den er als ihm untergeordnet empfand, mit mehr Respekt behandelt zu werden.
Jetzt sagte er nur: »Carole, es tut mir leid, daß du diese Worte hören mußtest. Würdest du uns bitte
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