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Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Titel: Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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aufbringen würde.
    Der zweite Prozess dauerte in seiner Gesamtheit zwei Jahre. Davon fand ein halbes Jahr im Gerichtssaal statt. Als es zu Ende war, war er nur noch ein Schatten seiner selbst.
    Bilder von Michael nach diesem Prozess erschütterten mich zutiefst. In den Videos, die ihn nach dem Freispruch zeigten, wo er pflichtbewusst für seine Fans auf das Dach seines SUVs stieg, suchte ich vergebens nach Jubel und Freude. Ich fand noch nicht einmal angemessene Erleichterung. Nur mühsame Beherrschung. Kurz vorm Tränenstrom. Und unermessliche Erschöpfung.
    Er sah aus, als ob er nie mehr auf die Füße kommen wollte, als hätte er den Glauben an die Welt und an die Menschheit endgültig verloren. Dann: Die Flucht ins Ausland, bemüht, unterzutauchen. Allein, der Fluch des Weltstarstatus’ ließ es nicht zu. Die Medien machten ihn ausfindig und versahen die raren Bilder von ihm mit gehässigen Schlagzeilen.
    Es gab nichts, nichts, nichts Positives über ihn zu lesen. Michael war der Verrückte, der Kinderschänder, der Pleitegeier, der bodenlos und selbstverschuldet abgestürzte King of Pop.
    Und dennoch: Egal, wie sehr er durch die Medien denunziert wurde, egal, was über ihn in der Presse geschrieben stand: Wo er hinkam, gab es schreiende, begeisternde Massen an Fans, gab es Menschen, die seine Ausstrahlung spürten, die fühlten, wer er war, gab es Menschen mit leuchtenden Augen. Menschen, die ihm sagten, dass sie ihn liebten.
    ***
    Benommen klappte ich nach dem letzten niederschmetternden Bericht den Laptop zu.
    Seine Vergangenheit – vom fünften Lebensjahr an ein Star zu sein und noch dazu ein so überdimensionaler – hätte jede Erklärung für Pädophilie untermauert.
    Keine Kindheit, keine Jugend, keine Möglichkeit, auf normalem Wege erwachsen zu werden, kein erkennbares Bedürfnis nach Frauen oder Sex, dafür jede Menge Zuneigung zu Kindern, vorzugsweise Jungs… was sollte man da schon denken?
    Aber letztlich kamen die Vorwürfe in beiden Fällen von recht zweifelhaften Leuten, die beide Geld gefordert hatten. Sie kamen von einer scheinheilig-prüden Gesetzgebung, deren Ordnungshüter keine Probleme hatten, selbst Minderjährige ins Gefängnis zu stecken, weil sie ihrer Schwester beim Pippimachen geholfen hatten. Sie wurden unterstützt von einer ungesund gewachsenen Gepflogenheit, Prozesse wegen Nichts zu führen, um zu Geld zu kommen.
    Und dann war noch das gewesen, das ich bei Michael gespürt hatte, als wir zusammen unter diesem Baum gesessen waren. Da war nichts Krankhaftes, nichts Paranoides gewesen. Ich hatte tiefen Schmerz gespürt, Trauer, nicht verheiltes Leid, und, geradezu unerklärlich für mich nach all diesen Berichten, erstaunlich viel Liebe.
    Wie musste er all das empfunden haben? Er, der so verletzlich war? Denn all die Jahre exorbitanter Popularität schienen ihn nicht härter, sondern empfindlicher gemacht zu haben. Dieser letzte Prozess...was genau war da mit ihm passiert?
    Und die Frage, die mich mit Abstand am brennendsten interessierte, war: Warum war es ihm passiert? Warum zweimal dasselbe? Warum ihm?
    Ich wollte eine spirituelle Antwort. Logische gab es genügend. Es passte einfach nicht in mein Weltbild. Wenn jemand solche Liebe ausstrahlte, jemand soviel in seinem Leben für andere getan hatte, wenn jemand ein so gutes Herz hatte, warum waren ihm dann solch markante Schlüsselkatastrophen geschehen?
    Ich konnte nicht aufhören, über diese Fragen zu grübeln. Ich ahnte, dass hierin ein Geheimnis lag, das auch mich anging.
    Minutenlang noch saß ich bewegungslos auf dem Stuhl. Mein Blick fiel auf das Buch, das ich dabei gehabt hatte, als ich Michael das erste Mal getroffen hatte. Und wie von einem Nieselregen besprüht, überkam mich wieder diese delikate, feine Atmosphäre, die er verströmt hatte, konnte ich seine so nach innen ziehende Gegenwart spüren und umso mehr war ich begierig, herauszufinden, warum er den Schlüssel zu seinem Glück nicht fand.
    Die Uhr zeigte halb drei Uhr morgens an, als ich den Laptop zur Seite legte. Es war ein komisches Gefühl, Michael ganz in meiner Nähe zu wissen. Zu wissen, er lag ein Stockwerk über mir in seinem Bett. Ich hatte ihn seit einer Woche nicht gesehen.
    XX / 1984 Irgendwo auf der Welt
    „WAS HAT DIESER SCHEISSKERL GESAGT? Was bildet dieser Wichser sich eigentlich ein? Was glaubt er, wer er ist? Seine Heiligkeit, der Dalai Lama persönlich? Meint er, er kann tun und lassen, was er will? Meint er das? MEINT - ER -

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