Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
aufgestanden, erneut zum Hauptausgang rausgegangen und hatte mich lieber wieder unter den überhängenden Baum postiert, stand mir die Beine in den Leib und wusste noch nicht einmal wofür und warum.
Er trug eine Basecap und Sonnenbrille, obwohl es Nacht war. Er ging ein paar Meter und blieb dann stehen. Der schwarzhaarige Mann reckte sein Gesicht den Sternen entgegen, als ob er den Mond suche, der heute in Sichelform am Himmel zu sehen war. Fast hatte ich den Eindruck, er schnuppere in die Luft, als wittere er irgendetwas. Und ehe ich noch einen weiteren Gedanken fassen konnte, wurde ich in Affengeschwindigkeit an den Zaun gepresst, ein warmer, muskulärer Körper drückte sich gegen mich, eine Hand auf meinem Mund, die meinen Schrei erstickte. Die Hand glitt von meinem Gesicht, packte mein Haar und zog es nach unten, so dass mein Kopf sich nach hinten bog. Erst jetzt registrierte ich, dass er mühelos mit seiner zweiten Hand meine Handgelenke hinter meinem Rücken umfasst hielt. Gefährlich glitzernde Augen sahen in meine.
„Na, du Schmalspuragentin“, murmelte Tom hinter zusammen gebissenen Zähnen. Und als ich den Mund öffnete, drückte er seine Lippen auf die meinen, zischte: „Nicht schreien“, bevor er mir seine Zunge für einen unglaublich leidenschaftlichen Kuss in den Mund schob.
Nach etwa zehn Sekunden hörten wir die Stimme eines Polizisten:
„Hey, verpisst euch! Hier wird nicht geknutscht!“
In einem mir völlig unbekannten Dialekt und in Vokabeln, die ich nur erraten konnte, fluchte Tom in die Richtung des Beamten, packte mich um die Taille, grinste mich schalkhaft an und schleppte mich Richtung Bushaltestelle. Das Grinsen ließ mir die Schuppen von den Augen fallen: Darüber hatte ich nach – denken sollen! Grace hatte damals gesagt: „Er (der Scheck) war nicht hochdotiert“. Das war die Erklärung für Graces verhaltene Reaktion, bezüglich der Info über Greg, der Grund für Toms flehenden Gesichtsausdruck, als ich den Scheck zerrissen hatte, der wahre Grund, warum Grace das vollständige Video hatte und die Summe des Schecks gekannt hatte und sie sich mir nach dieser Situation geöffnet hatte! Der Grund, warum Michael angefangen hatte, mit mir zu reden und Tom den Schlüssel zu Neverland hatte – er arbeitete für ihn und die Scheck-Szene war mein Test gewesen. Ich kam mir oberdoof vor.
„Du hast mich aufgefordert, nachzudenken und genau das hab ich versucht.”
„Und?“
„Du heißt jedenfalls nicht Tom.”
„Nenn mich Jake.”
„Das ist genauso nichtssagend wie Tom.”
„Vielleicht heiße ich ja wirklich so.”
„Ja“, antwortete ich missmutig, „vielleicht.” Ärgerlich starrte ich ihn an.
„Hey“, sagte er und grinste sein so unwiderstehliches Lächeln, „der Kuss war gut!“
Ich musste lachen. „Ja...der war lecker! Du küsst fast so gut wie mein Mann.”
Tom/Jake lachte. „Du bist echt witzig, Chirelle!“
„Wer sagt dir, dass ich Chirelle heiße?“
„Wer sagt, dass ich nicht besser küsse als dein Mann?“
„Hast du meinen Mann schon mal geküsst?“
Wir starrten uns beide an und prusteten dann vor Lachen los. So was konnte ich wirklich nur mit Tom/Jake erleben. Wir befanden uns in einer Situation, dessen Ernst ich nur erahnen konnte und wir hatten nichts Besseres zu tun als zu blödeln. Trotzdem oder gerade deswegen tat es uns gut.
„Und?“ fragte Tom/Jake, „was hast du noch herausgefunden?“
„Dass die Scheck-Szene inszeniert war.”
„Cool. Wie kommst du darauf?“
„Grace wusste, wie hoch der Scheck ausgestellt war“.
„Ach!“
„Und du bist weder Redakteur noch Journalist noch Herausgeber noch sonst wie in irgendwelchen Zeitungsverlagen bekannt.”
„Das muss nichts heißen.”
„Stimmt“, sagte ich mutlos, „es wird soviel gemoschelt, dass keine Sau mehr durchblickt. Soll ich dich wirklich Jake nennen?“
„Ist mir lieber als Tom.”
„Du arbeitest für Michael?“
Jake schwieg. In mir fiel etwas nach unten.
„Jake... arbeitest du für Mike?“
„Ich bin für Michael“, antwortete er.
Das Ding in meinem Magen sank noch ein bisschen tiefer.
„Nützt ihm das was?“, fragte ich.
„Das hoffe ich“, antwortete er.
„Du weißt es nicht?“
„Wer kann das schon wissen?“, sagte er und sah mich unergründlich an. „Ich hab dir damals gesagt, dass ich ihn mag. Und das stimmt.”
„Michael braucht Menschen, die 100% zu ihm stehen“, erwiderte ich hitziger als ich wollte.
„Das sehe ich anders“,
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