TS 49: Der Weltraumarzt
voraus. Er war von kleinem Wuchs, verwachsen und mißgestaltet, und hinkte ein wenig. Calhoun, mit einem bewußtlosen Eindringling als Tarnung seiner Sprühpistole auf der Schulter, ging hinter ihm drein. Er lauschte mit grimmiger Entschlossenheit, ob nicht irgendein Geräusch die Anwesenheit eines weiteren menschlichen Wesens im Raumschiff anzeigen würde. Aber als er sich die Gestalt des Expeditionsleiters dieses Ausrottungsunternehmens, das die rechtmäßigen Bewohner von Maris III vernichten sollte, näher betrachtete, war er beruhigt. Allein schon aus der Rüdeansicht zog er den eiskalten Schluß, daß wohl nicht einmal mit der Gegenwart eines Laborassistenten zu rechnen war.
Die merkwürdige Figur, die da vor ihm ging, gehörte zu einer ganz bestimmten Kategorie von Menschen. Es gibt genug Leute, die sich nur deshalb zu Persönlichkeiten entwickeln, weil sie äußerlich häßlich sind. Nur zu viele weibliche Wesen – aber auch Männer – bemühen sich nie um etwas anderes als um ein gutes Aussehen. Manche Menschen, die weder gut aussehen noch je hoffen können, dieses Ziel zu erreichen, stellen sich tapfer diesem Schicksal und werden aus diesem Grunde zu Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft sich rühmen zu können für jedermann eine hohe Ehre bedeutet. Aber es gibt auch andere, die sich voll Bitterkeit gegen ihr Geschick auflehnen.
Calhoun war in der Lage, zu beurteilen, wieviel Geisteskraft, Geschicklichkeit, Willensenergie und erschöpfende Mühe dieser Mann aufgewendet haben mußte, um ein derartiges Verfahren des Massenmordes zu entwickeln. Er traute sich deshalb beinahe zu, seine Lebensgeschichte schreiben zu können. Schon als junger Mensch hatte er Verachtung und Zurücksetzung erfahren müssen. Die bitteren Erlebnisse nährten in ihm einen wilden Haß auf jene, die ihn verachteten. Er träumte davon, sich Macht und immer mehr Macht zu verschaffen, um sich rächen zu können an denen, die er haßvoll beneidete. Aber es blieb nicht nur beim Träumen. Seine ganze Energie legte er in seine Rachepläne gegen eine Schöpfung, die ihn benachteiligt hatte – statt seine Willenskraft im Dienste des Guten einzusetzen. So mußte er sowohl eine unvorstellbare Geduld wie eine unglaubliche Bösartigkeit entwickelt haben. Rastlos und unermüdlich hatte er intrigiert, geplant und sich geschunden, gepeitscht von der Geißel seines eigenen Hasses.
Jetzt waren sie im Laboratorium. Hier fühlte sich Murgatroyd augenblicklich zu Hause. Dieser Raum war hell erleuchtet. Blitzende Instrumente waren ihm vertraut. Selbst die Gerüche eines hervorragend ausgestatteten biologischen Laboratoriums erschienen Murgatroyd beruhigend und heimelig. Fröhlich zwitscherte er:
„Tschie – tschie – tschie!“
Die kleine, verwachsene Gestalt fuhr herum. Dunkle Augen weiteten sich und starrten in stechender Wut.
Calhoun ließ seine Last auf den Boden gleiten. Die Uniform des Gesundheitsdienstes erschien, als der schlaffe Körper im Abrutschen den geborgten Umhang des Eindringlings mit sich riß.
„Es tut mit leid“, sagte Calhoun sanft, „aber ich muß Sie verhaften, da Sie sich gegen die Grundprinzipien des Schutzes der öffentlichen Gesundheit schwer vergangen haben. Die Erfindung und Verbreitung einer tödlichen Seuche kann man wohl ohne Übertreibung in dieser Form bezeichnen.“
Die Gestalt wirbelte herum und packte zu. Dann schoß sie auf Calhoun los. In ihrer rechten Hand blitzte ein chirurgisches Skalpell, die einzige tödliche Waffe in Reichweite.
Calhoun drückte auf den Abzug des Wirbelfeldapparates, der dazu bestimmt war, Farbe auf die Wände von Gebäuden aufzutragen. Der Tank auf seinem Rücken enthielt aber keine Farbe. Das Gerät stieß statt dessen einen scharf gebündelten Kegel von Dexträthyl Dämpfen aus.
7.
„In einem völlig realen Sinne sind alle Motive und alle Wunschbefriedigungen subjektiver Natur. Unser Leben spielt sich schließlich im Räume unserer eigenen Schädelkapsel ab. Aber ein Mensch kann seinem Wunsche entsprechend handeln und dann die Folgen seiner Tat mit freudiger Genugtuung betrachten. Dieses Lustgefühl ist sicherlich seiner Natur nach subjektiv, aber es hat direkte Beziehungen zur Realität und zu dem objektiven Kosmos, in den der Mensch gestellt ist. Es gibt aber auch einen sozusagen ultrasubjektiven Typ von Motivation und Befriedigung, der für das menschliche Verhalten eine entscheidend wichtige Rolle spielt. Viele Menschen finden ihre größte Genugtuung darin,
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