TS 65: Die Zeit-Agenten
Suppe mit Gemüse und chinesischen Vogelnestern, gebackenen Karpfen in Aspik, mit bunten Blumen geschmückt, Hammelfilet auf Kräutern und zum Nachtisch Obst und Biskuits und einen kleinen Malteserkäse. Ein Krug vom besten Falerner rundete das Mahl ab.
Gnaius Plinius Secundus, der gegen Mittag mit einer kleinen Reitereskorte eintraf, war selbst für römische Verhältnisse klein. Er war beinahe zierlich zu nennen, und seine schlanken Hände, die jedes Wort mit beredten Gesten begleiteten, schienen keinen Augenblick zur Ruhe zu kommen. Trotz dieser Unruhe berichtete er während des Mahles von seiner Frau und seinem Sohn, die in seiner Villa am Comersee warteten, schilderte den Zustand seiner Weingärten, lobte das ausgezeichnete Essen – und das alles in einer langsamen, präzisen Sprache. Später, nachdem sie Lamia entlassen hatten und sich in ein kleines Gemach zurückgezogen hatten, wo niemand sie belauschen konnte, erstattete Elspeth ihm einen kurzen Bericht der Lage. „Wir haben Grund zur Annahme“, endete sie, „daß die Herzländer, seit sie nun wissen, daß wir über ihre Aktionen informiert sind, zu drastischeren Maßnahmen greifen werden. Was wir nicht wissen, ist nur, wo ihre nächste Operation stattfinden wird.“
Plinius dachte eine Weile über das Gehörte nach und meinte dann nachdenklich: „Wäre ich in ihrer Lage, würde ich versuchen, die Krankheit des Kaisers auszunützen und mich bemühen, starken Einfluß auf Titus zu bekommen. Es wäre für dich und die deinen, meine Liebe, sehr schwer, etwas zu unternehmen, wenn der Sohn und Erbe des Kaisers gegen euch stünde. Der Prinzessin Berenice können wir vertrauen. Aber die Gerüchte, die man über die Liaison von Titus mit einer Prinzessin aus dem Norden hört, wollen mir gar nicht gefallen.“
„Prinzessin Berenice hat sich beeilt, ihren Anspruch auf ihn zu bekräftigen“, sagte Elspeth und erinnerte sich an die Stunde, als sie dem Prinzen vorgestellt worden war. „Sie hat mich gebeten, sie heute in den Bädern zu treffen.“
„Dann geh zu ihr“, riet der Gelehrte, „und schärfe ihr ein, wie wichtig es ist, daß sie Titus festhält.“
„Ich glaube nicht, daß mir das schwerfallen wird“, erwiderte die Agentin. Und dann, als sie bemerkte, daß Plinius’ Augen immer noch auf ihr ruhten: „Hast du irgendeine Ahnung über ihre Pläne?“
„Nichts Bestimmtes“, antwortete er. „Und doch geht unter den Offizieren der Marine das Gerücht, daß Titus viel stärker an dieser Barbarenprinzessin hängt, als man allgemein annimmt. Einige von ihnen, die sie während der letzten Reise sahen, beschreiben sie als feuerhaarige Riesin mit der Schönheit einer Göttin.“
„Ich werde mein Bestes tun“, versprach Elspeth, der plötzlich ein Gedanke gekommen war. Die mysteriöse gallische Prinzessin, die Plinius hier beschrieb, schien eine große Ähnlichkeit mit der Amazonenfürstin zu haben, die Mack ihr geschildert hatte. „Wie heißt sie denn?“ erkundigte sie sich.
Plinius zuckte die Achseln und meinte: „Irgendein barbarischer Name – Ana Martina oder so.“
„Und warum hast du sie in Verdacht?“ fragte Elspeth, die jetzt davon überzeugt war, daß die Anführerin der Herzländer und Titus’ neue Flamme ein und dieselbe Frau waren. „Ich habe nicht gesagt, daß ich sie in Verdacht habe“, erwiderte der Gelehrte, nachdem er einen Schluck aus dem Krug genommen hatte. „Aber unter den vorliegenden Umständen ist mir alles verdächtig, was vom Normalen abweicht. Und diese Prinzessin soll aus den Wildnissen des Ostens kommen, wo gemeinhin Schönheit wie die ihre unbekannt ist.“
„Ich werde sehen, was ich über sie in Erfahrung bringen kann“, versprach Elspeth.
„Das könnte sich empfehlen.“ Plinius blickte auf. Wenig späte: verabschiedete er sich, und Elspeth schickte sich in Begleitung Lamias an, die Bäder zu besuchen.
Für Elspeth waren die Bäder das Eindrucksvollste an den vielen eindrucksvollen Bauwerken von Antik. Es war hier Sitte, daß Männer und Frauen unbekleidet herumliefen. Am Anfang war es ihr schwergefallen, diese Sitte mitzumachen, heute aber hatte sie sich daran gewöhnt.
Sie frischte sich schnell im kalten Wasser ab und ging dann zu dem großen Becken, wo Berenice Hof hielt. Die Prinzessin ruhte auf Kissen, die ihre Diener gebracht hatten und blickte neugierig auf, als Elspeth sich ihr näherte. Ihre dunklen Augen verengten sich, und sie sagte: „Wir haben dich seit dem Fest vermißt. Hat Gnaius
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