TS 82: Geheimagentin der Erde
obendrein trug Brzeska auch noch die ganze Verantwortung, wenn mit einem Raumkreuzer etwas schiefging, auch wenn zum Beispiel Gus Langenschmidt der Schuldige war und einen Navigationsfehler gemacht hatte.
Gus führte Maddalena in das kleine Büro, das ihm während des Aufenthaltes im Stützpunkt eingeräumt war, und ließ sich in einen Sessel fallen.
„Setzen Sie sich“, sagte er. „Was wissen Sie eigentlich über die Aufgabe unserer Raumkreuzer und unserer Agenten auf anderen Planeten?“
„Nun, ich glaube …“, begann sie überrascht.
„Haspeln Sie jetzt nicht Antworten herunter, die Sie auf der Schule gelernt haben. Was haben Sie sonst gewöhnlich als Ihre Ansicht geäußert?“
Maddalena biß sich auf die Unterlippe, aber sie sah ihm ins Gesicht:
„Als ich herkam, habe ich gedacht, weshalb man soviel Zeit damit verschwendet, sich um ein paar degenerierte Rassen irgendwo im Universum zu kümmern. Heute bin ich nicht mehr dieser Meinung, aber ich gebe zu, daß ich noch kein abschließendes Urteil besitze.“
„Sie sind wenigstens ehrlich“, nickte Langenschmidt. Diese Antwort gefiel ihm besser, als er sich selber eingestand. „Fangen wir also bei Null an. Ich habe bemerkt, wie Sie nach meinem grauen Haar sahen, und ich konnte Ihnen an der Nasenspitze ablesen, was Sie dachten, nämlich: ,Wenn er schon graue Haare hat, dann muß er ja schon Jahrhunderte an zusätzlicher Lebenszeit verdient haben. Warum läßt er sich nicht pensionieren?’ Stimmt es? Hm, ich will versuchen, Ihnen zu erklären, was uns hier festhält.“
Er drückte auf einen Knopf. Das Licht erlosch. Dafür leuchtete an einer Wand die dreidimensionale Karte eines Teiles des Universums auf. Langenschmidt nahm einen kleinen Leuchtpfeil, den er als Zeigestock benutzte.
„In diesem System hier gibt es einen bewohnten Planeten. Diesen hier. Noch einige andere sind bewohnt – hier und hier, wahrscheinlich sechs insgesamt. Genauer gesagt, sie waren bei unserem letzten Besuch noch bewohnt, aber die Verhältnisse sind so unsicher, daß die Bevölkerung inzwischen schon durch eine Epidemie untergegangen sein kann. Es kann Ihnen nicht verborgen geblieben sein, warum es hier in so großer Entfernung von zivilisierten Planeten eine Bevölkerung gibt – oder?“
„Zarathustra“, sagte Maddalena.
„Richtig. Vor siebenhundertundfünfzig Jahren kamen die Flüchtlingsschiffe vom Planeten Zarathustra sieben in diese Richtung. Die Leute waren geflohen, weil ihre Sonne sich zu einer Nova aufgebläht hatte und die Seen und Flüsse ihrer Heimat schon beinahe kochten. In ihrer Panik waren sie schon froh, wenigstens ihre Haut gerettet zu haben. Diejenigen unter ihnen, die tatsächlich einen bewohnbaren Planeten erreichten, kamen dort also praktisch mit nichts an. Ihre Flucht war ohnehin in dieser Geschwindigkeit schon eine ungeheure Leistung, sie haben schätzungsweise zweieinhalb Millionen Einwohner auf dreitausend Raumschiffen evakuiert. Lange Zeit glaubten wir, daß es nur noch in Baucis Alpha Überlebende gebe. Erst vor hundertzwanzig Jahren stieß man auf Beweise dafür, daß auch noch andere Flüchtlingsschiffe zu bewohnbaren Planeten gelangt sein mußten.
Bei den Flüchtlingen hatten sich die Dinge inzwischen nach ihren eigenen Naturgesetzen entwickelt. Für uns sind hundert Jahre keine lange Zeit, aber für Wesen im Naturzustand sind das vier bis sechs Generationen. Im Laufe von dreißig Generationen ist die Galaktische Sprache bei diesen Völkern zu ganz anderen, unverständlichen Dialekten und Volkssprachen geworden. Es ist oft so, daß auf dem gleichen Planeten einer aus dem Norden den Mann aus dem Süden nicht versteht.
Das ist aber noch nicht alles. Was nützt einem die ganze Kultur, wenn man nur noch Speere hat, um ein Tier zu jagen, und wenn einem das letzte Feuer ausgeht, weil ein Gewitterschauer alles überschwemmt und man nicht einmal mehr Streichhölzer hat? Zuletzt hält man Großvaters Erzählungen von großen Flügen zwischen den Sternen für die Phantastereien eines senilen Trottels. Man hat ganz andere Sorgen. Man gibt sich nicht damit ab, lesen und schreiben zu lernen, denn es ist viel wichtiger, Bögen zu machen und Pfeile zu schnitzen. Wozu denn schreiben? Wem soll man denn schreiben? Die anderen Leute sind ja alle in Rufweite.
So kam es, daß die hohen Kulturen von Zarathustra verfielen. Als wir die Überlebenden auf ihren neuen Planeten entdeckten, fanden wir nur Wilde auf primitiver Zivilisationsstufe. Manche
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