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TS 82: Geheimagentin der Erde

TS 82: Geheimagentin der Erde

Titel: TS 82: Geheimagentin der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Winters, mit diesen Spaziergängen bald für lange Zeit vorbei sein. Er blickte um so sehnsuchtsvoller nach Süden – und die ganze Erinnerung kam wieder. Wie Belfeor sein Recht beansprucht hatte, einen eigenen Stamm in Carrig zu gründen, und wie er dazu Leute hergeholt hatte, die angeblich aus dem Südland stammten, von denen aber manche nicht einmal die Sprache beherrschten. Und darunter waren sogar Frauen, die sich noch arroganter als die Männer benahmen.
    Zu Anfang hatte man ihnen Widerstand geleistet, aber sie hatten schließlich durch Zauberkräfte gesiegt. Sie hatten viele Leute zu einer unerwünschten Arbeit gezwungen, die meisten in den Gruben in den Smoking Hills. Um diesen Beschluß durchzusetzen, hatten sie viele Leute getötet. Dann hatte es Sir Bavis erlebt, wie sein eigener Sohn Ambrus seinem Stamme öffentlich abgeschworen hatte, in den Dienst von Belfeor eingetreten und von dessen sogenanntem Stamm aufgenommen worden war. Zugleich aber hatten viele gesagt, Sir Bavis habe nach langer guter Regierungszeit den Verstand verloren, als er diesen Belfeor überhaupt zuließ. Da hatte sich Sir Bavis Knole von der höchsten Zinne des Wachtturms in die Tiefe gestürzt.
    Saikmar zog fröstelnd den Mantel um sich zusammen, wie er da oben auf der Klippe stand. Der Himmel wurde in dieser Jahreszeit am Nachmittag schon dunkel. Nun mußte bald die Nacht kommen – und zwar die Polarnacht, die viele Monate andauerte. Er hatte schon einmal eine Polarnacht durchlebt. Er hatte nicht geglaubt, was das bedeutete, bis er es mit eigenen Augen sah: Die Dunkelheit. Die Einsamkeit. Draußen der heulende Wind, drinnen nur die Gebete der Priester, die den Wiederaufgang der Sonne erflehten.
    Als der Widerstand gegen Belfeor zusammenbrach, war er ausgewiesen worden. Seine Mutter, sein Onkel als Oberhaupt des Stammes und seine Vettern hatten einstimmig beschlossen, daß er in das Heiligtum im Norden fliehen müsse, bevor Belfeor seine Hinrichtung befahl. Schon seit den Zeiten der Sage hatte das Heiligtum Flüchtlingen eine Unterkunft geboten. Der Unterhalt des Heiligtums kam aus den Spenden angesehener Städte und von Pilgern, Spenden an Trockenfisch, eingesalzenem Gemüse und Pökelfleisch. Auf den eigenen Äckern konnte das Heiligtum in den wenigen Sommerwochen niemals zusammenbringen, was es zum Unterhalt brauchte.
    Vor allem hatten früher die Städte, in erster Linie Carrig, Karawanen mit Pilgern geschickt, die gleichzeitig größere Transporte an gespendeten Lebensmitteln heraufbrachten. Aber seit dem letzten Frühling hatte man nur noch schlechte Nachrichten. Das große Carrig hatte keine Spenden mehr geschickt, und es hatte nicht einmal Pilgerkarawanen aus dem Süden durchgelassen, die sicherlich Spenden für das Heiligtum in ihrer Last gehabt hatten.
    Saikmar blickte nach unten. Vom Rand der Klippe sah er in ein verschneites, unbelebtes und schroffes Gebirgstal dreißig Meter tiefer. Ein Schritt – und er brauchte sein Schicksal nicht mehr zu beklagen. War das nicht besser als das Ende, das alle diese bedauernswerten Menschen im Heiligtum erwartete? Die Priester, die Kinder, die Flüchtlinge? Jämmerlich zu verhungern – war das ein Ende für Saikmar, Corries Sohn?
    Nein, lieber ein Schritt … und nicht mehr die harten Blicke dieser uralten Priesterinnen, nicht mehr die blassen Gesichter dieser Kinder mit den vorwurfsvollen Augen, nicht mehr das verschlossene Antlitz dieser Priester, die immer so taten, als wolle man ihnen das Geheimnis ihres Heiligtums stehlen.
    Nur ein Schritt …
    Er blickte noch ein letztes Mal zum Winterhimmel auf. Und da sah er etwas! Das war ein Zeichen der Götter, wenn es überhaupt eines gab!
    Da oben aus der dunkelgrauen Schneewolke löste es sich, segelte auf weit gespreizten Schwingen in einer weiten Spirale vor eine Wolkenlücke tiefblauen Himmels. Es leuchtete im Licht der Nachmittagssonne auf wie aus Erz und Gold. Es war ein junges Parradil.
    Jetzt zitterte Saikmar vor Erregung und nicht vor Kälte. Das machtvolle Tier setzte zu einem Sturzflug an. Es schoß, an Saikmar vorbei, in die Tiefe der Felsschlucht. Es bremste, spreizte die Klauen und landete auf der letzten Schroffe über dem Talgrund. Und da unten faltete es seine Schwingen – und war plötzlich verschwunden.
     
    *
     
    In dieser Nacht schlief Saikmar nicht. Beim ersten Licht verließ er das Heiligtum. Er wußte viel über die Parradile. Man mußte zu ihnen gehen und sie nach ihren Göttern fragen. Gerade jetzt! Denn auch

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