TS 82: Geheimagentin der Erde
endlich festen Boden. Sie sah sich um. Kaum vorzustellen, daß in dieser Welt menschliche Wesen leben konnten! Das Panorama war einfach trostlos.
Nach den Sternen stellte sie fest, daß sie wahrscheinlich in der arktischen Region gelandet war. Ihr blieb nur übrig, nach Süden zu marschieren.
Man wußte, daß das Flüchtlingsschiff von Zarathustra in der Nähe des Nordpols gelandet war. Reste davon sollten noch sichtbar sein. Beobachter hatten festgestellt, daß diese Trümmer des alten Raumschiffs zum Mittelpunkt einer besonderen Religion geworden waren. Die Flüchtlinge aber waren nach Süden abgewandert, um fruchtbares Land zu suchen. Daraus ergab sich für Maddalena eine schwache Chance, im Süden auf menschliche Behausungen zu stoßen.
Zuerst wollte sie auf Tageslicht warten, um den Marsch anzutreten. Dann fiel ihr ein, daß sie in einer Polarnacht darauf vielleicht ein paar Monate warten konnte. Sie schaltete von ihren Sauerstoffflaschen auf gefilterte Außenluft um, brachte irgendwie das lange Haar, das sie dauernd störte, aus ihrem Gesicht, und setzte sich in Gang.
Dann fing sie zu überlegen an, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie auf menschliche Wesen traf. Sie mußte erst einmal ihr Landungsaggregat ablegen und verbergen. Sie durfte ja nichts zeigen, das ihre Herkunft von einer anderen Welt verriet. Dann mußte sie sich eine glaubhafte Geschichte ausdenken, weshalb sie überhaupt hier war. Was für eine? Von Banditen geraubt? Es gab hier Banditen, aber was sollten sie hoch im Norden suchen? Nein, sie mußte schon eine bessere Lüge erfinden.
Bald wurde sie müde. Der böige Wind machte ihr zu schaffen. Alle paar Minuten klatschte eine Verwehung gegen ihren Helm und machte ihn undurchsichtig, und sie mußte ihn abwischen. Ein kleines Gerät sorgte dafür, daß der Helm wenigstens nicht von innen beschlagen konnte, aber sie war so müde, so unglaublich müde, sie wanderte nur noch wie eine Hypnotisierte weiter.
Schließlich hatte sie nur noch einen Wunsch, sich hinfallen zu lassen und zu schlafen. Nur in ihrem Unterbewußtsein pochte noch das Wissen: Du darfst dich jetzt nicht hinlegen … du darfst dich jetzt nicht hinlegen … sonst erfrierst du! Der Wind wurde eher noch steifer, man hatte das Gefühl, auf der Stelle zu treten.
Nun ging es auch noch bergauf. Die letzten Meter glaubte sie schon nicht mehr überwinden zu können. Sie fing an, sich selber zuzureden.
„Von oben“, sagte sie sich, „werde ich ein Dorf sehen. Ich werde Menschen sehen. Ein Feuer, von dem Rauch aufsteigt. Und dann wird mich einer sehen und herauskommen, um mir zu helfen. Ganz bestimmt, nur noch ein kleines Stück!“
Da bewegte sich etwas über ihr. Sie blickte auf. Schnee stäubte auf und nahm ihr die Sicht. Sie keuchte und wartete.
Plötzlich fielen ihr alle möglichen grausigen Bilder ein, die sie gesehen hatte: Geier, die über einem Sterbenden in der Wüste kreisten; Wölfe, die einem verendeten Tier auf der Spur folgten; zyklopische Flugdrachen, die über einer Karawane schwebten und einen nach dem anderen von den Reisenden im Sturzflug wegholten. Und das da oben? Was war das?
Stöhnend jagte sie den Hügel hinauf, als ob da oben die Rettung zu finden sei.
Und als sie oben angekommen war, sah sie tatsächlich etwas Unglaubliches!
Jenseits des Tales, in das sie hinabblickte, stand tatsächlich die Sonne. Man sah sie nicht, dicht über dem Horizont steckte sie in dicken Wolken, aber man erkannte die erleuchteten Wolkensäume und die wie Pfeile aufsteigenden Strahlen. Das Tal war von Felsklippen durchzogen und zerrissen. In seiner Mitte jedoch, da blinkte etwas. Und sie wußte, was das sein mußte. Nur der Chrompanzer eines Raumschiffes konnte so blitzen!
Sie war außer sich, sie schrie: „Gus! Gus!“
Sie rannte weiter.
Aber da war auf einmal nichts mehr unter ihren Füßen.
Sie sauste auf einer vereisten Rutschbahn sieben Meter in die Tiefe. Ihr Haar flog ihr wieder ins Gesicht, sie mußte prusten und spucken und konnte nicht einmal schreien. Als sie auf dem Rücken lag und den Himmel wieder von der Erde unterscheiden konnte, sah sie vor sich das seltsame geflügelte Ungeheuer, das sie vorher schon bemerkt hatte, und das jetzt mit einem blutroten aufgesperrten Rachen und mit drohend ausgestreckten Klauen vor ihr hockte.
Da schrie sie jämmerlich um Hilfe. Aber sie wußte, daß das lächerlich war, niemand konnte es hören, nur sie selbst war von ihrem Geschrei ganz taub. Irgend etwas packte ihre
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