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TS 82: Geheimagentin der Erde

TS 82: Geheimagentin der Erde

Titel: TS 82: Geheimagentin der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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festhalten.“
    Er brauchte sich über Maddalena nicht zu beschweren. Sie sagte kein Wort und folgte ihm sofort. Der Fels auf der schmalen aufsteigenden Leiste war von gleitendem Neuschnee verweht. Mit jedem Schritt waren sie am Abgrund des Todes.
    Er merkte, daß seine Begleiterin nicht bei Kräften war. Er selbst war auch nicht mehr in Form. Würden sie diesen Aufstieg jemals überstehen?
    Da brauste es über ihnen. Sie sahen das Parradil. Mit weit gebreiteten Schwingen rauschte es über ihnen durch den Wind. Zwanzig Meter vor ihnen ließ es sich auf einen Felsvorsprung herab, es flatterte mit den mächtigen Schwingen und scharrte zugleich mit den ausgespreizten Krallen. Saikmar glaubte, jetzt müsse er abstürzen. Doch ein paar Schritte weiter entdeckte er, das der Drache ihnen eine kleine Felstafel vom Schnee reingefegt hatte, auf der sie verschnaufen konnten.
    Das wiederholte sich noch zweimal.
    Und jedesmal hätte Saikmar darauf schwören können, daß das Parradil mit seinem Schnabelmaul auf das Heiligtum zeigte, als ob es ihnen den Weg weisen wolle.
    Aber beim dritten Mal schien das Flugtier die Geduld zu verlieren. Es breitete die Schwingen ganz aus, und sein Schlagen übertönte den Wind wie Donner. Saikmar drückte sich ängstlich an dieFelswand. Drei Meter über ihm schwebte das flügelschlagende Ungeheuer. Es stieß herab, es griff zu … und wie eine Puppe flog Saikmar in die Luft, in den Winterhimmel davon.
    Es ging alles sehr schnell. Als er schreien wollte, merkte er, daß es nicht nötig war, und als er etwas tun wollte, war er schon wieder unten.
    Und als Saikmar in einer kleinen Schneewehe lag und sich endlich herausgeschaufelt hatte, da sah er das Parradil noch einmal wiederkommen, diesmal mit dem Mädchen in den Fängen. Und er staunte, denn sie sträubte sich gar nicht, wie er es versucht hatte, sondern sie brachte sich mit unglaublicher Geschicklichkeit in die richtige Lage, um neben ihm auf dem schneebedeckten Felsen zu landen.
    Noch drei Atemzüge – und das Mädchen lag neben ihm. Er war sprachlos, wie sie das gemacht hatte, denn das Parradil hatte sie viel höher losgelassen als ihn selbst. Das Tier flatterte über ihnen und blickte sie aus klugen Augen an.
    Dann breitete es die Schwingen ganz weit aus und schwebte davon.
    Saikmar sah ihm nach wie einem auf immer verschwundenen Freund. Sein Hals war trocken. Wortlos half er dem Mädchen auf.
    Sie standen vor dem Eingang des Heiligtums, vor dem die Schneemauer schon fast geschlossen war.

 
9.
     
    Für die Flüchtlinge im Heiligtum war der Bau der Schneemauer das Schlimmste. Da mußten sie aus Schnee Ziegel zusammenklopfen und aufeinandertürmen, bis sie nicht mehr konnten. Aber das forderte man ihnen ab, das war die Leistung, die sie jedes Jahr dafür zahlen mußten, daß man ihnen Zuflucht gewährte, eine Schlafstätte und die nötigste Verpflegung.
    Die meisten von ihnen sahen verhungert und hohläugig aus. Hände und Gesichter waren vom Wintersturm gerötet und gesprungen. Nur wenige unter ihnen trugen noch richtige Kleider. Die meisten hatten sich aus alten Decken Umhänge geschnitten.
    Saikmar wußte, daß man erwartet hatte, er würde an dieser Arbeit teilnehmen. Er hatte es nicht getan. Zwar hatte ihn niemand darauf direkt angesprochen, aber er spürte jetzt, wie die anderen ihn mit scheelen Blicken ansahen. Immerhin grüßten sie stumm, und er führte die Fremde durch das letzte noch offengelassene Tor in den Eingang des Heiligtums.
    Dort aber stand Nyloo, die alte Priesterin, mit einem Gesicht, das wie gefroren aussah. Und sie fragte:
    „Nicht nur eines, sondern zwei Mäuler zu füttern?“
    „Die Frau hier ruft den Schutz des Heiligtums an“, antworteteSaikmar scharf. Er wußte zwar gar nicht, ob die Fremde das wollte, aber draußen war ihr der Tod sicher.
    „Was du nicht sagst!“ In Nyloos altem Gesicht funkelten die Augen. „Eine Frau für dich, was? Damit du im Winter nicht frierst? So eine Art Succubus!“
    „Ich weiß nicht, was ein Succubus ist“, entgegnete Saikmar. „Sicher hat es mit Zauberei zu tun, und das ist dein Gebiet, Nyloo.“
    „Allerdings!“ sagte Nyloo wütend. „Ich wüßte auch nicht, wo ohne Zauberei das Futter für noch einen Hungrigen herkommen soll.“
    „Ihr habt fast siebzig Flüchtlinge im Heiligtum“, sagte Saikmar. „Einer mehr – macht das einen Unterschied?“
    „Es ist ein Unterschied“, schnappte die Alte.
    Inzwischen hatten die Leute an der Schneemauer zu arbeiten

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