TTB 102: Die Wächter der Sternstation
völlig überhörte. Heute war es nicht so warm wie gestern, denn im Westen zogen Wolken auf.
Als er jedoch seine Seifenkessel erreichte, stürzten seine Luftschlösser jäh ein.
Die Kessel lagen umgestürzt auf der Erde, manche waren sogar zersprungen. Sie bestanden aus zwei Zentimeter dickem Ton und ließen sich selbst in leerem Zustand nur schwer bewegen; wenn sie gefüllt waren, mußte er einen Hebel ansetzen, um sie zu kippen. Aber trotzdem lagen sie jetzt in alle Richtungen zerstreut.
Offensichtlich war in der vergangenen Nacht ein Ding aus der Wüste gekommen und hatte diese Verwüstungen angerichtet. Und wahrscheinlich lauerte es noch immer irgendwo in der Nähe ...
Conrad stellte zu seinem Schrecken fest, daß er gestern in der Eile vergessen hatte, seinen Bogen und die Pfeile mit nach Hause zu nehmen. Er war kein besonders guter Schütze, aber eine Waffe zu haben, wäre jetzt beruhigend gewesen. Schließlich sammelte er einige scharfkantige Felsbrocken auf, bevor er sich umsah.
Nirgendwo eine Bewegung.
Vorsichtig näherte er sich den Kesseln. Die Seife hatte sich aus den Formen ergossen, bevor sie völlig erkaltet war, und das Ding war darin herumgestapft. Conrad hatte noch nie in seinem Leben so merkwürdige Spuren gesehen – das Ding bewegte sich auf scharfkantigen Hufen fort, deren Ränder jeweils ein Quadrat bildeten, das auf der Spitze stand. Aber das war kein Wunder. Schließlich war es äußerst selten, daß ein Ding auch nur entfernte Ähnlichkeit mit den bisher aufgetauchten besaß.
Die Spur führte auf die Felsen zu und wurde sofort schwächer. Die Seife war bereits erstarrt – die Fährte mußte also schon einige Stunden alt sein. Er faßte wieder Mut.
Conrad ließ die Felsbrocken fallen und rannte auf die Stelle zu, wo er Bogen und Köcher hatte liegenlassen. Aber das Ding war auf den Bogen getreten, wodurch das Holz zersplittert war. Sechs Pfeile waren nicht zertrampelt – aber Conrad hatte nichts mehr, mit dem er sie hätte verschießen können.
Er wog sie unentschlossen in der Hand. Dann entschied er sich dafür, zunächst die nähere Umgebung abzusuchen, bevor er die unbeschädigt gebliebenen Kessel wieder aufstellte. Fast jedes Ding bewegte sich ausschließlich nachts, aber manche waren auch tagsüber unterwegs. Schweratmend und durch das Knie behindert, machte er sich auf die Suche.
Er wollte schon fast aufgeben, als er es entdeckte. Es lag im Schatten zwischen den Felsen.
Conrad hielt sich die Hand vor den Mund, um den Schrei zu ersticken, der aus ihm hervorzubrechen drohte. Dann zog er sich vorsichtig einige Schritte zurück, bis nur noch sein Kopf über die Felsen hinausragte. Das Ding schien zu schlafen, aber auf diesen äußerlichen Eindruck konnte man sich nicht verlassen; die Ungeheuer aus der Wüste benahmen sich anders als gewöhnliche Tiere.
Es war etwa zwei Meter lang. Auf dem kräftigen Körper saß ein verhältnismäßig kleiner Kopf mit einem einzigen Auge, dessen Weiß von den dunkleren Schuppen abstach, die es umgaben. Unterhalb dieses Auges öffnete sich ein mit nadelspitzen Reißzähnen bewehrtes Maul. Der Kopf ging ohne Hals unmittelbar in den Körper über und verschwand fast in der faltigen Haut. Das Ding besaß einen Schuppenschwanz. Die Hinterbeine waren kräftiger ausgebildet als die Vorderbeine, die dafür metallisch glitzernde Krallen trugen.
Conrad ging klopfenden Herzens hinter dem Felsen in Deckung. Das war ein gefährlicher Gegner! Er hatte noch nie mit einem Ding zu tun gehabt – bis auf den Tag, an dem die männliche Bevölkerung der Stadt die Wache verstärken mußte – und jetzt stand er einem allein gegenüber. Was sollte er nur tun? Nach Lagwich laufen und Hilfe holen? Und wenn das Ding sich in der Zwischenzeit aus dem Staub machte, ohne eine Spur zu hinterlassen?
Wäre der Bogen nicht unbrauchbar gewesen, hätte er vielleicht einen Schuß in das riesige Auge versucht; aus drei Metern Entfernung konnte man kaum danebentreffen. Aber mit einem Pfeil hineinzustechen ... Er ließ den Gedanken fallen.
Und dann dachte er an seine Aschesäcke.
Er war selbst über sich verwundert, als er mit einem Sack über der Schulter zu dem Felsen zurückschlich. Das hatte nichts mehr mit Mut zu tun. Das war bereits reine Verzweiflung, die ihn vorantrieb.
Er legte den Sack so auf den Felsen oberhalb des Dings, daß er nur an einer Schnur zu ziehen brauchte, um ihn zu öffnen. Dann mußte die Asche das Ungeheuer in eine Staubwolke hüllen. Der zweite
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