TTB 102: Die Wächter der Sternstation
hm ... hallo!« gab Conrad zurück und lächelte krampfhaft. »Äh ... hm ... ja! Das war doch ... äh ... dein Vater, der die Außenwelt zu erreichen versuchte? Er muß sehr tapfer gewesen sein.«
Kein gutes Gesprächsthema. Das Mädchen runzelte die Stirn. »Nicht tapfer«, meinte sie nach einer kurzen Pause. »Verzweifelt. Ihr beide seid mutig. Ihr wurdet nicht dazu gezwungen, oder?« Sie lächelte wieder. »Der Marsch muß schrecklich gewesen sein.«
»Nein, er war nicht so schlimm, wie wir ihn uns vorgestellt hatten«, antwortete Conrad in einem Tonfall, der andeuten sollte, daß er ohne falsche Bescheidenheit die Wahrheit sagte. »Wir hatten einen Kompaß, weißt du, den dein Vater vielleicht nicht besaß, und Yanderman hatte eine Karte von allen Flüssen und Bächen gezeichnet, so daß wir kaum Wasser mitzuschleppen brauchten.«
»Eine Karte?« fragte Nestamay erstaunt. »Woher hattet ihr denn eine Karte?«
»Yanderman hat sie gezeichnet.«
»Aber nach welcher Vorlage?« wollte sie wissen.
»Nun ...« Conrad wollte es ihr eben umständlich erklären, als ihm zu Bewußtsein kam, daß die Gruppe stehengeblieben war. Er hörte Yandermans Stimme.
»Ist das Ding wirklich durch die Außenwand der Kuppel ins Freie entkommen?« erkundigte er sich und starrte dabei auf das riesige Loch. Conrad wartete gespannt auf die Antwort – bestimmt war dies der Ort, an dem alle Dinge ihren Ursprung nahmen, wie Yanderman vermutet hatte! Und trotzdem lebten hier alle diese Menschen ...
»Ohhhh!« Nestamay umklammerte plötzlich seinen Arm und wies mit der anderen Hand in die Dunkelheit unterhalb der Kuppel. Dort bewegte sich etwas – noch ein Ungeheuer? Nein, ein menschliches Wesen. Ein Mensch, der zu schreien begann, als er das Freie erreichte.
»Jasper!« flüsterte das Mädchen tonlos. »Er ist es wirklich!«
Conrad konnte sich nicht vorstellen, wie sie ihn erkannt hatte. Denn sein Kopf und seine Schultern waren dick mit einer gallertartigen schwarzen Masse bedeckt, die er vergeblich mit den Händen abzustreifen versuchte, während seine Stimme immer schwächer wurde.
Einige Sekunden lang machte niemand eine Bewegung. Dann trat Großvater Maxall einen Schritt auf Jasper zu.
»Tötet ihn«, sagte er langsam.
»Nein! Nein!« eine Frau drängte sich durch die Menge und warf sich vor dem Alten auf die Knie. Sie griff nach seinen Händen. »Nein, ihr dürft meinen Sohn nicht umbringen!«
»Willst du lieber zusehen, wie die Samen seinen Körper ...«, sagte der Alte und ließ den Satz unvollendet. Die Frau achtete nicht darauf, sondern bat weiter um Gnade und Mitleid.
Niemand erfüllte ihren Wunsch. Niemand durfte ihn erfüllen. Maxall wiederholte seinen Befehl, und diesmal gehorchte Keefe. Er ließ sich einen Speer geben, zielte sorgfältig und warf mit aller Kraft. Die Waffe fuhr an der Stelle in die schwarze Masse, wo sich die Kehle befinden mußte. Die menschliche Gestalt schwankte, schwarzbeschmierte Hände griffen nach dem Speer und sanken hilflos herab, als Jasper tot zu Boden stürzte.
»Verbrennt die Leiche!« ordnete Keefe mit heiserer Stimme an. Zwei der jüngeren Männer schalteten einen Hitzestrahler ein. Jaspers Mutter ließ Großvaters Knie los und weinte still vor sich hin.
»Was ... was ist denn passiert?« flüsterte Conrad Nestamay zu. Sie erklärte es ihm mit kalter Stimme.
»Weil ich ihm nicht zu Willen war, wollte er sich an mir rächen, indem er die Alarmvorrichtung außer Betrieb setzte, die uns warnt, wenn ein Ding ausgeschlüpft ist. Er wollte mich damit während meiner Nachtwache erschrecken. Aber das erste Ding kam früher, als er es erwartet hatte. Während wir es fortjagten und euch trafen, muß er zurückgekommen sein, um die Alarmanlage wieder in Betrieb zu setzen. Aber in der Eile ...«
»In der Eile geschah was?« fiel Conrad ein.
»Das schwarze Zeug«, fuhr Nestamay fort. »Das sind die Samen einer der Pflanzen dort drinnen, die auf Bewegungen reagieren. Wenn man sich nicht in acht nimmt und ihnen zu nahe kommt, platzen die Samenkapseln auf. Ich habe einmal gesehen, wie sie sich auf einem Ding festgesetzt haben – aber noch nie bei einem Menschen. Hoffentlich erlebe ich das nie wieder in meinem Leben!«
Sie schüttelte sich. »Angeblich stirbt man nicht gleich daran«, schloß sie, »sondern leidet noch wochenlang, bevor das Ende kommt.«
Conrad schluckte trocken. Unterdessen war Jaspers Leiche unter dem Hitzestrahler zu Asche verglüht, und Maxall wandte sich wieder an
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