TTB 104: 200 Millionen Jahre später
Zweimal versuchte sie zu sprechen, doch jedesmal erstickten ihre Worte an ihrem namenlosen Entsetzen. Ineznia lachte und sagte mit brutaler Wildheit: »Versuche mir nicht einzureden, daß das nicht nötig wäre. Es gibt nur eine Art der Vereinigung mit Accadistran, die Gonwonlane akzeptieren wird – die der vernichtenden Niederlage.«
Nachdenklich fügte sie hinzu: »Und wenn meine Kampfflieger schon einmal dabei sind, werde ich dafür sorgen, daß jeder Gebetsstab in Gonwonlane ihre Beute wird. Ich gehe kein Risiko ein. Ich lasse meine Kräfte durch das Beten der Accadistraner unterhalten, bis die allerletzte Möglichkeit eines Frauenbetens in Gonwonlane ausgelöscht ist. Ptath wird bis dann allerdings schon lange tot sein.«
Sie schwieg, und ihre Augen wurden träumerisch, ihr Gesicht weich und nachdenklich, als sie laut fortfuhr: »Ich habe mich noch nicht entschieden, welche Regierungsform ich einführen werde, sobald die letzten Brutnester des Widerstandes ausradiert sind. Das Tempelsystem hat nicht nur Vorzüge, sondern auch Nachteile, wie man an der großen Zahl der Rebellen erkennen kann, die sich dagegen auflehnen. Diese unverschämten Schurken!
Ich kann Opposition nun einmal nicht ertragen. Wenn ich es könnte und wenn ich die Fähigkeit des alten Ptath besäße, die Handlungen großer Menschenmassen zu koordinieren, würde ich sogar versucht sein, jene eigenartige Regierungsform wieder einzuführen, die er bevorzugt hat.«
Ohne es sich völlig bewußt zu sein, hatte L'Onee bemerkt, daß sich Ineznia während des Redens langsam näher herangeschoben hatte. Jetzt erkannte sie plötzlich die Absicht der Göttin. Sie wandte sich um, richtete sich auf – zu spät. Ineznia warf sich auf Holroyds Körper und umschlang ihn, während L'Onee blindwütig an ihr zerrte und auf sie einschlug.
»Paß auf, du Närrin«, keuchte Ineznia ärgerlich, »sonst kommst du mit.«
Sie konnte die Warnung nicht beachten. Sie spürte die Veränderung. Ohne Wasser war es ein langsamer, gequälter Prozeß, doch Minuten später setzte die Bewegung und das Gleiten durch die Dunkelheit ein. Im nächsten Moment fand sie sich auf hartem Erdboden vor, und es war Tag.
20.
Die Atmosphäre des Schreckens, die sie umgab, war fast greifbar. Sie entsprang dem Schluchzen und Stöhnen von Frauen, dem Wimmern von Kindern und den angstvollen Ausrufen von Männern. Unzählige Menschen brachten ihre Angst und ihr Entsetzen lärmend zum Ausdruck. Das gräßliche Konzert zeigte ihr, wo sie sich befand – nicht, daß sie daran gezweifelt hätte!
L'Onee stand auf, blickte hastig suchend umher und seufzte dann erleichtert. Ineznia war nirgendwo zu sehen. Doch Ptath lag auf einem Feldbett. Er sah tot aus. Kein Zeichen eines erwachenden Bewußtseins ließ seinen reglosen Körper erzittern. L'Onee blickte auf und sah sich zum zweitenmal müde um.
Ptath und sie befanden sich in einem eingezäunten Areal. Das Areal maß etwa ein Kanb im Geviert und war angefüllt mit Menschen. In der Ferne, hinter einer der hohen Mauern, konnte sie die dressierten Skreers des Zard sehen, die in der Luft Kreise zogen und dann, Formation nach Formation, im Sturzflug nach unten außer Sicht gingen. Sie schauderte vor Entsetzen bei dem Gedanken daran, was dort draußen geschah. Hier, in einem der Tausende von Trainingslagern für Kampfskreers, war die Endstation für die Entführten von Gonwonlane.
Sie bemerkte jetzt, daß Ptath und sie sich in einem besonders abgegrenzten Gebiet befanden, das voller Feldbetten war. Auf jedem Lager ruhten einzelne oder mehrere menschliche Wesen. Manche von ihnen standen auf und wanderten blindlings von dannen, und andere wurden hereingebracht, um die freien Plätze einzunehmen. Kinder, Frauen, Männer.
L'Onee ließ sich auf den Rand des Lagers nieder und wartete. Dabei dachte sie verzweifelt: Ineznia würde keine Minute zögern. Sie würde Ptath sobald als möglich töten lassen, ohnmächtig oder nicht. Zunächst würde sie den echten Inezniakörper zur Stadt Ptath zurückbringen; den würde sie in einer Stadt, in der Metall relativ häufig verfügbar war, nichts riskieren lassen. Dann würde sie ihre Essenz zum Palast in Gadir zurückschicken, den Körper des weiblichen Zard von Accadistran besessen machen und die notwendigen Befehle erteilen. Die Soldaten würden auf der Stelle gehorchen, so schnell Skreers zu fliegen und Grimbs zu laufen vermochten. Mit ihrer Ankunft hier war jeden Moment zu rechnen. Und mit Sicherheit
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