TTB 106: Der dritte Planet
schwieg, weil er sah, daß es hoffnungslos war.
»Werde ich danach besser schlafen?« fragte er.
Oh, ja, war die Antwort.
Er nahm einen Schluck und blickte dabei auf die Seite mit den Klecksen. Es ist kein Verlust unschätzbarer Literatur, dachte er, riß die Seite heraus und zerknüllte sie.
»Das schmeckt gut«, sagte er und wies mit dem Kopf auf das Glas. Er hob die Hand mit dem zerknüllten Papier. Wirf es weg, ja?
Wegwerfen? fragte sie.
»Richtig«, sagte er. »Und jetzt verschwinde. Was, zum Teufel, hast du im Schlafzimmer eines Mannes zu suchen?«
Sie rannte hinaus, und er grinste, als sie die Tür leise hinter sich schloß.
Er trank den Rest aus dem Glas, stellte es auf den Nachttisch und schaltete die Lampe aus. Mit einem Seufzer ließ er sich auf das weiche Kissen zurückfallen. Was für ein Geschöpf, dachte er schläfrig.
Gute Nacht.
Er stützte sich auf einen Ellbogen und blinzelte in die Dunkelheit.
Gute Nacht. »Oh«, sagte er, »dir auch gute Nacht.« Er fiel wieder zurück und gähnte mit weit aufgerissenem Munde.
Er träumte, und aus diesem Traum wachte er wie schweißgebadet auf.
*
Nach dem Frühstück ging er mit ihren Abschiedsgrüßen im Gehirn zum Lagerhaus. Von weitem schon sah er die Gnee-Männer, die eine Linie bildeten und auf ihren Köpfen Bündel trugen. Sie marschierten ins Lagerhaus, legten ihre Last auf dem Betonboden ab, wo der Gnee-Vorarbeiter stand und ein Brett mit einem Notizblock in der Hand hielt.
Als sie Lindell sahen, verbeugten alle Männer sich tief und nahmen ein unterwürfiges Aussehen an. Er stellte fest, daß ihre Köpfe platter als Lieblings waren, daß sie dunkler waren und kleinere Augen hatten. Ihr Körper war breit und mit dicken Muskeln bepackt. Dumm sehen sie aus, dachte er.
Als er zu dem kontrollierenden Vorarbeiter kam, schickte er ihm einen Gedanken zu, der unbeantwortet blieb. Entweder waren sie nicht telepathisch, oder sie wollten es nicht zeigen.
»Prüfen Sie alles nach?« fragte der Mann mit krächzender Stimme.
»Okay«, sagte Lindell. Er stieß leicht an das Brett. »Bringen Sie das nachher ins Büro, wenn der erste Schub drinnen ist.«
»Was, haah?« sagte der Mann. Mensch, du bist eine Nummer, dachte Lindell.
»Bringe das hier«, sagte er und schlug auf den Notizblock, »ins Büro!« Er zeigte abermals. »Zu mir bringen – zu mir. Wenn alle Waren hier sind.«
Das schmutzige Gesicht des Mannes nahm einen aufgeregten Ausdruck an, und er nickte heftig. Lindell klopfte ihn auf die Schulter. Guter Junge, dachte er, ging ins Büro und knirschte dabei mit den Zähnen.
Er schloß die Plexiglastür von innen und sah sich um. Es war dasselbe Büro, das er von allen anderen Weltraumstationen in Erinnerung hatte. Bis auf das Feldbett, das in einer Ecke stand. Jetzt fehlt nur noch, daß ich nachts hier draußen schlafen soll, dachte er.
Er trat näher und erkannte auf dem flachen, schmutzigen Kissen den Abdruck eines Kopfes und fand ein hellbraunes Haar. Was, zum Teufel, soll das bedeuten, fragte er sich.
Unter dem Feldbett lag ein Gürtel ohne Schnalle. In der Wand darüber waren tiefe Kratzer, als ob ein Verrückter oder Fiebernder versucht hätte, sich einen Weg nach draußen zu bahnen. Er starrte darauf hin.
In diesem Laden spukt es, schloß er mit unsicherem Kopf schütteln. Dann wandte er sich achselzuckend ab, Unsinn, sich überflüssige Gedanken zu machen, dachte er. Ich muß eben sechs Monate hierbleiben, und in dieser Zeit soll mich keiner kaputtkriegen!
Schnell setzte er sich an den Schreibtisch und zog das schwere Tagebuch der Station vor sich, klappte den Deckel auf und fing von Anfang an zu lesen.
Die ersten Eintragungen waren trocken und nüchtern. Zuerst hatte Jefferson Winters unterschrieben. Am Ende von sechs Monaten und zweiundfünfzig, engbeschriebenen Seiten stand auf der dreiundfünfzigsten reichverschnörkelt die Botschaft: Station Vier Lebewohl für immer und ewig! Jeff schien keinerlei Schwierigkeiten gehabt zu haben, sich dem Leben hier anzupassen.
Lindell lehnte sich in dem knarrenden Schreibtischsessel zurück und zog das schwere Buch mit gelangweiltem Seufzer auf seinen Schoß.
Zwei Monate nach Jeffs Ablösung wurden die Eintragungen unklarer und gingen durcheinander. Worte waren verwischt, hastig gekritzelt, unleserlich gemacht und neu geschrieben. Einige Irrtümer schienen viel später von einer anderen Ablösung korrigiert worden zu sein.
So ging es weiter durch etwa vierhundert Seiten, eine
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