TTB 109: Unendlichkeit x 5
Junge wurde rot, weinte aber nicht. Er starrte sie nur an und fuhr mit der gleichen Hand langsam über den weichen Stoff.
Miss Fellowes dachte verzweifelt: Und nun?
Alle schienen nur auf sie zu warten – sogar der häßliche kleine Junge.
Miss Fellowes fragte laut: »Ist sein Essen vorbereitet? Wie steht es mit Milch?«
Alles stand zur Verfügung. Einer der Männer rollte einen Servierwagen herein, auf dem drei Milchflaschen neben Gläsern mit Babynahrung und einer Heizplatte standen. Auf einem gesonderten Tablett sah Miss Fellowes Vitamintropfen und andere Fläschchen, die verschiedene Mittel enthielten.
Sie entschied sich zunächst nur für Milch und wärmte den Inhalt einer halben Flasche auf der Heizplatte. Dann goß sie eine Untertasse voll, weil sie vermutete, daß der Junge nicht aus einer Tasse trinken konnte.
Miss Fellowes nickte aufmunternd und sagte: »Trink nur. Trink.« Sie machte eine Handbewegung, als wolle sie die Untertasse an den Mund heben. Der Junge beobachtete sie aufmerksam, machte aber keine Anstalten, ihre Bewegung nachzuahmen.
Plötzlich ergriff sie die Initiative. Sie hielt den Jungen am Arm fest und tauchte die Finger der freien Hand in die Milch. Dann fuhr sie ihm damit über die Lippen und wiederholte den Vorgang, bis ihm die Flüssigkeit über das Kinn herunterlief.
Das Kind stieß zuerst einen schrillen Schrei aus, aber dann fuhr es sich mit der Zunge über die Lippen. Miss Fellowes ließ ihn los und trat einige Schritte zurück.
Der Junge näherte sich der Untertasse, beugte sich darüber und sah sich noch einmal ängstlich um, als fürchte er einen Feind hinter sich; dann senkte er wieder den Kopf und schleckte die Milch wie eine Katze auf. Er berührte die Untertasse nicht mit den Händen.
Miss Fellowes konnte nicht verhindern, daß ihr Gesicht einen Teil des Abscheus ausdrückte, den sie empfand.
Deveney mußte sie beobachtet haben, denn er fragte: »Weiß die Schwester davon, Doktor Hoskins?«
»Was soll ich wissen?« erkundigte Miss Fellowes sich mißtrauisch.
Deveney zögerte, aber Hoskins lächelte wieder einmal amüsiert. »Sagen Sie es ihr ruhig.«
Deveney wandte sich wieder an Miss Fellowes. »Sie werden es nicht für möglich halten, Miss, aber Sie sind tatsächlich die erste moderne Frau, die für einen jungen Neandertaler zu sorgen hat.«
*
Sie starrte Hoskins an und konnte ihren Zorn kaum beherrschen. »Das hätten Sie mir ruhig vorher sagen dürfen, Doktor.«
»Warum? Macht das einen Unterschied?«
»Sie haben nur von einem Kind gesprochen.«
»Ist das etwa keines? Haben Sie schon einmal eine junge Katze aufgezogen, Miss Fellowes? War das ein menschliches Wesen? Würden Sie das gleiche Gesicht machen, wenn Sie ein Schimpansenbaby zu versorgen hätten? Sie sind doch Krankenschwester, Miss Fellowes. Ihren Zeugnissen nach haben Sie über drei Jahre lang in einer Entbindungsabteilung gearbeitet. Haben Sie sich jemals geweigert, sich um ein deformiertes Baby zu kümmern?«
Miss Fellowes spürte, daß sie seinen Argumenten nichts entgegenzusetzen hatte. Deshalb wiederholte sie nur nochmals: »Sie hätten es mir vorher sagen müssen.«
»Und dann hätten Sie die Stellung nicht angenommen? Schön, wollen Sie vielleicht gleich jetzt kündigen?« Er sah sie kalt an, während Deveney sie von der Seite beobachtete. Der junge Neandertaler hatte seine Milch ausgetrunken und richtete sich wieder auf.
Dann wies er auf die Milchflasche und stieß einen eigenartigen Laut aus, den er mehrmals wiederholte.
»Er kann ja sprechen«, stellte Miss Fellowes überrascht fest.
»Selbstverständlich«, antwortete Hoskins. »Der Homo neanderthalensis stellt keine eigene Rasse dar, sondern eher eine Untergruppe des Homo sapiens. Weshalb sollte er nicht sprechen können? Vermutlich möchte er noch etwas Milch.«
Miss Fellowes griff automatisch nach der Flasche, aber Hoskins hielt sie am Handgelenk fest. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, Miss Fellowes. Wollen Sie weiter für ihn sorgen?«
Miss Fellowes riß sich heftig los. »Glauben Sie, daß nur ich ihn füttern könnte? Ja, ich bleibe bei ihm – wenigstens noch ein paar Tage.«
Sie goß Milch in die Untertasse.
Hoskins nickte befriedigt. »Wir lassen Sie jetzt mit dem Jungen allein, Miss Fellowes. Diese Tür hier ist der einzige Eingang zu den Versuchsräumen. Sie ist mit einem Spezialschloß versehen, das nur auf Ihre und meine Fingerabdrücke anspricht. Außerdem werden die Räume von oben her
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