lange Weile auf der Maus, ehe ich sie schließlich bewegte und die erste Seite der Spam-Mails nach unten scrollte. Viagra, Online Casino, Enlarge your Penis, … Mit den Augen überflog ich die Adressen und Betreffzeilen.
Ich blätterte auf die zweite Seite. Facebook Notification, Gewinnspiel, Billige Druckerpatronen … Immer wieder dasselbe.
Ich klickte auf die dritte Seite … Die vierte Seite …
Nichts.
Die fünfte Seite war die letzte. Ich sah sie noch langsamer an als die vorangegangen. Zeile für Zeile wie in Zeitlupe. Erst als ich fast am Ende der Seite angelangt war, blieb mein Herz stehen.
Keine Mail von Luca.
Aber dafür ein anderer bekannter Name.
[email protected] Mein Herzschlag setzte wieder ein und das Blut raste viel zu schnell durch meine Venen.
Die Mail war vom 25. November.
Meine Hand zitterte, als ich die Nachricht anklickte und sie sich vor meinen Augen öffnete. Wörter formten sich zu Sätzen und ich begann zu lesen.
Liebe Emely,
ich weiß, dass ich dir versprochen habe, dich in Ruhe zu lassen. Ich hasse mich dafür, dass ich das Versprechen hiermit breche. Aber ich kann nicht anders.
Ungewissheit ist etwas sehr Schlimmes. Ich kann mir denken, was es zu bedeuten hat, dass du mir keine Antwort auf den Brief gibst. Und doch weiß ich es nicht mit Sicherheit. Nur ein Wort von dir und ich wüsste, woran ich bin.
Hast du den Brief überhaupt gelesen?
Habe ich dich verloren, Emely? Endgültig?
Oder brauchst du Zeit? Dann sag mir das doch, ich würde dir alle Zeit der Welt geben.
Ich weiß, dass ich einen großen Fehler gemacht habe. Nicht nur einen, sondern mehrere. Ich überlege Tag und Nacht, wie ich das jemals wiedergutmachen könnte. Aber alles erscheint mir nichtig. Wahrscheinlich kann man so etwas nicht wiedergutmachen. Es ist unverzeihlich. Ich würde es aber trotzdem so gerne versuchen, Emely. Du müsstest gar nichts tun. Nur es mich versuchen lassen. Glaubst du, dafür gibt es eine Möglichkeit? Eine ganz kleine vielleicht?
Emely, wenn ich die Augen schließe, sehe ich dein Gesicht, spüre deinen Körper unter meiner Hand und rieche den Duft deiner Haare. Ich wünschte, ich könnte dich noch einmal im Arm halten.
Ich weiß, dass ich es nicht verdient habe, aber ich wünsche es mir trotzdem so sehr: Bitte gib mir noch eine Chance. Wenn nicht als dein Freund, vielleicht zumindest als Mensch in deinem Leben?
Es tut mir so leid, Emely.
In Liebe,
Elyas Schwarz
Heiße Tränen liefen ungehindert meine Wangen hinab. Ich konnte die letzten Zeilen nur noch verschwommen erkennen, trotzdem las ich sie immer und immer wieder, bis mein Gesicht schließlich in die Hände sank.
Alles fing wieder von vorne an.
Meine Muskeln, mein Hals, mein Bauch, jeder einzelne Nerv in mir verkrampfte sich. Es war, als würde mein Körper unter der Last meiner Gefühle erdrückt werden. Ich konnte kaum noch atmen. Mit zittrigen Knien stand ich auf, stolperte zum Bett und kramte aus der Jacke das Handy hervor. Ich versuchte meine Tränen wegzuwischen, aber es kamen immer wieder neue hinzu. »N«, suchte ich mit schemenhaftem Blick in meinem Telefonbuch. Und dann fand ich ihn. »Nicht rangehen«. Ich drückte auf Anrufen. Langsam baute sich eine Verbindung in der Leitung auf, es knackte und rauschte, bis es schließlich klingelte.
Bitte nimm ab , flehte ich innerlich, lehnte mich mit dem Unterarm auf Kopfhöhe gegen den Kleiderschrank und stützte die Stirn dagegen. Bitte nimm ab.
Es tutete. Immer wieder. Aber er ging nicht ran.
Mein Name war eingeblendet. Wollte er nicht mit mir reden? Dieser Gedanke ließ neue Tränen über mein Gesicht laufen.
Es klingelte und klingelte. Doch nichts.
Als sich irgendwann die Mailbox meldete, legte ich auf und warf das Handy aufs Bett. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, legte ich den Hals in den Nacken. Warum ging er nicht ran? War er vielleicht schon auf der Party und hörte das Telefon nicht? Ich blickte auf den Wecker. 21:19 Uhr.
Mit beiden Händen wischte ich mir durchs Gesicht, schloss die Augen und verweilte einen Moment in der Dunkelheit. Als ich die Augen wieder öffnete, griff ich nach der Jacke, warf sie mir über und steckte das Handy in die Tasche. Verheult wie ich war, verließ ich die Wohnung.
KAPITEL 15
Happy New Year
Ich hatte Glück und fand einen Bus, der mich zumindest in die Nähe der Stadthalle brachte. Die letzten Meter musste ich zu Fuß hinter mich bringen. Schon zweimal hatte ich mich verlaufen und es nur Passanten zu verdanken,