Türkisgrüner Winter (German Edition)
Schwarz
Genau wie nach dem ersten Lesen war ich auch jetzt wieder überfordert. So viel Gefühl, so viel Schmerz steckte in den Zeilen. Ohne es gewollt zu haben, hatte ich Elyas genauso sehr wehgetan wie er mir.
Was war das nur zwischen uns? Und weshalb war es immer mit so viel Leid verbunden, obwohl wir uns doch eigentlich gern hatten? Wenn zwei Menschen Liebe gleichermaßen erwiderten, müssten sie sich doch im Paradies befinden. Doch wenn ich mich umblickte, fand ich mich von der Hölle umgeben.
Heute Abend war ich wie eine Irre aus dem Haus gerannt, um die Klärung mit Elyas zu suchen. Jetzt, Stunden später und mitten in der Nacht, saß ich wieder an demselben Ort und Elyas wusste immer noch nicht, dass mich sein Brief nie erreicht hatte. Ich schnaubte. Manchmal war das Leben schon grotesk.
Sollte ich Elyas schreiben? Noch heute?
Oder wäre das zu unpassend?
Ich starrte eine Weile auf den flimmernden Bildschirm, verschob die Mail aus dem Spamordner, speicherte sie auf meiner Festplatte und klappte den Laptop zu. Auf Socken schlurfte ich ins Bad und machte mich bettfertig. Zurück in meinem Zimmer, blieb ich vorm Kleiderschrank stehen. Die letzten zwei Monate hatte ich mich daran vorbeigezwungen. Heute verlor ich den Kampf. Ich öffnete die Türen, wühlte und wühlte, bis ich aus dem hintersten Eck den grauen Kapuzenpullover mit der Aufschrift »Elyas 01« hervorgekramt hatte. Ich schob mir den BH von den Schultern und zog mir den Pullover über, spürte den weichen Stoff auf meiner nackten Haut und die vertraute Wärme, die mich sofort umgab.
Ich streifte mir die Hose von den Beinen, tapste barfuß zum Bett und kuschelte mich unter die Decke. Eine Stunde später lag ich immer noch wach. Ich fühlte mich müde, ausgelaugt, aber die Gedanken in meinem Kopf wollten nicht aufhören zu kreisen. Irgendwann griff ich nach meinem Handy und tippte Elyas eine SMS.
»Emely«
Hey du,
ich weiß, dass jetzt nicht der richtige Moment dafür ist und kann nur hoffen, dass du es mir nicht übel nimmst. Ich finde nur, du solltest etwas wissen, bevor noch mehr Missverständnisse entstehen oder es womöglich irgendwann zu spät ist. Was ich dir sagen möchte, ist, dass ich deine E-Mail erst heute gefunden und gelesen habe. Wo auch immer du den Brief abgelegt hast, er hat mich nie erreicht. Ich habe dich nicht mit Absicht ignoriert, Elyas, ich wusste einfach nichts von den Schriftstücken. Heute Abend ging ich nur auf die Silvesterparty, weil ich mit dir reden wollte.
Natürlich hat sich jetzt alles verändert und es gibt wichtigere Sachen, auf die du dich momentan konzentrieren musst. Dafür habe ich vollstes Verständnis.
Mir ist nur wichtig, du weißt, dass wir von meiner Seite aus jederzeit noch einmal über alles sprechen können. Vorausgesetzt, du möchtest das.
Schlaf gut, Elyas. Es tut mir unendlich leid, was mit Jessica passiert ist.
Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann weißt du, wie du mich erreichen kannst.
Emely
KAPITEL 17
Dildospielchen mit Eva und so
Man sagte immer, eine Nacht über etwas schlafen würde wahre Wunder bewirken. In meinem Fall konnte ich das nicht bestätigen, ich fand die Ereignisse des Vortages immer noch genauso furchtbar.
Erst in den frühen Morgenstunden war ich eingeschlafen und nicht vor 13 Uhr mittags aufgewacht. Ich hatte die Augen noch nicht richtig offen, da hatte ich schon nach meinem Handy gegriffen. Keine SMS von Elyas.
Nachdem ich mich aus dem Bett gekämpft hatte, war mein erster Gang zum Fenster gewesen. Die Parklücke, in der ich gestern Nacht den Mustang abgestellt hatte, war leer.
Es gab jetzt Probleme, die viel mehr Priorität hatten, sagte ich mir immer wieder. Ich musste Geduld haben.
Wie es Jessica wohl ging? Inzwischen war sie bestimmt wach. Würde sie Elyas Vorwürfe machen, weil er ihr das Leben gerettet hatte? Oder würde sie ihm dankbar sein?
Wenn ich nicht an Elyas dachte, dann dachte ich an Jessica, fragte mich, wie verzweifelt sie gewesen sein musste, um keinen anderen Ausweg mehr zu sehen.
Inzwischen war es früher Abend. Ich lag ausgestreckt auf dem Bett, hatte die Arme hinter dem Kopf verkreuzt und sah an die Decke. Mit einem Knall sprang die Tür auf. »Frohes neues Jahr, prüde Mitbewohnerin!«, rief Eva.
Ich fasste mir ans Herz und rollte mit den Augen. »Offenbar hast du nicht vor, dass ich es überlebe. Dir auch ein gutes neues Jahr, nymphomane Schlampe.«
Eva lachte, bückte sich und öffnete die Riemchen ihrer High Heels. »Mann, war das
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