Türkisgrüner Winter (German Edition)
er. »Würde ich einem verdammten Poster an der Wand so viel Aufmerksamkeit schenken, wenn ich es nur mögen würde? Würde ich dir immer noch hinterherrennen, obwohl du mir mehr als einmal zu verstehen gegeben hast, dass ich niemals eine Chance bei dir habe?«
Er ging einen Schritt auf mich zu. »Du sagtest mir, dass ich eine gewisse Wirkung auf Frauen hätte. Weißt du was? Es ist mir scheißegal, was ich für eine Wirkung auf Frauen habe. Die Einzige, bei der mich interessiert, welche Wirkung ich auf sie habe, bist du. Aber genau bei dir scheine ich überhaupt keine Wirkung zu haben!«
Seine Worte hallten durch den Raum, kamen nur wie in Trance bei mir an. Unfähig etwas zu erwidern starrte ich ihn an und bemerkte, wie das komische Gefühl in meinem Bauch immer schlimmer wurde.
»Emely«, sagte er. »Was willst du hören? Soll ich dir sagen, dass ich nicht mehr schlafen kann? Dass ich nicht mehr essen kann? Dass ich den ganzen Tag an nichts anderes denke als an dich? Dass ich mit geschlossenen Augen jedes einzelne Detail deines Gesichts beschreiben könnte?«
»Emely, Schatz.« Er seufzte und sah mich mit einem Blick an, der eine Gänsehaut bei mir auslöste. »Würdest du mir überhaupt glauben, wenn ich dir sage, dass ich … dass ich mich in dich-«
Er kam nicht dazu, diesen Satz zu Ende zu sprechen. Die brennende Flüssigkeit, die plötzlich meine Speiseröhre nach oben schoss, drängte sich gnadenlos in den Fokus meiner Aufmerksamkeit. Ich schaffte es gerade noch, mir die Hand vor den Mund zu halten, und war in der nächsten Sekunde auch schon an Elyas vorbeigestürzt, um noch rechtzeitig ins Badezimmer zu gelangen.
Wie ein vom Leben gezeichneter und ausgemergelter Straßenhund in seinen letzten Atemzügen kauerte ich vor dem kalten Porzellan des Klos und musste schubweise miterleben, wie sich der gesamte Alkohol des heutigen Abends wieder einen Weg nach draußen bahnte. Mein Kopf hämmerte, meine Augen tränten, meine Glieder schmerzten und keinerlei Kraft wohnte ihnen mehr inne. Mein Magen war vollkommen übersäuert, mein Hals brannte wie Feuer und das Gefühl der Übelkeit wollte einfach nicht nachlassen. Gedanklich verfasste ich in diesen Momenten mein Testament.
Elyas saß hinter mir in der Hocke und hielt meine Haare fest. »Ja ja«, sagte er und atmete aus, »das kommt davon.«
Klugscheißer .
»Das hilft mir jetzt herzlich wenig weiter«, antwortete ich mit leiser Stimme. »Außerdem sagte ich dir schon ein paar Mal, dass du gehen sollst. Das hier ist echt ekelig, Elyas.«
Mit seiner warmen Hand streichelte er mir über den Rücken. »Ich studiere Medizin, Emely. Glaub mir, ich habe schon wesentlich Schlimmeres gesehen.«
»Trotzdem«, murmelte ich. In derart erbärmlichen Tiefpunkten der eigenen Existenz wollte man einfach mit sich und seinem Elend allein sein.
Seit meinem achtzehnten Geburtstag hatte ich mir geschworen, niemals mehr im Leben so viel zu trinken – jetzt wusste ich auch wieder, warum.
»Geht’s dir langsam ein bisschen besser?«, fragte Elyas. Ich kam nicht dazu, ihm zu antworten, weil sich bereits der nächste Schwall Flüssigkeit in meinem Hals sammelte und meinen Kopf über die Kloschüssel zwang.
»Ich deute das mal als ein Nein«, sagte er. »Warte bitte kurz, ich bin gleich wieder hier.«
Unter den unangenehmen Geräuschen, die ich von mir gab, hörte ich, wie Elyas aufstand und das Badezimmer verließ. Ich war dankbar dafür und konnte nur hoffen, dass er nicht allzu schnell wiederkam. Ich schämte mich schon genug. Mehr als genug.
Nachdem die nächste Ladung im Klo gelandet war, tastete ich mit der Hand nach der Spülung und drückte sie mit letzter Kraft. Mein Kopf, der viel zu schwer war, sank nach unten, und mit der Wange legte ich mich auf die Klobrille. Alles drehte sich. Ich schloss die Augen und wollte einfach nur sterben.
Nach einer Weile hörte ich, wie Elyas zurückkehrte und seine Schritte sich näherten. Ich wollte den Arm heben, um ihn wegzuschicken, aber mein Arm bewegte sich keinen Millimeter. Langsam öffnete ich die Augen. Elyas setzte sich neben mich auf den Boden, mit dem Rücken an die Wand. In den Händen hielt er einen Pullover, ein Glas Wasser und ein kleines Fläschchen mit Medizin. Den Pullover legte er auf den Schoß, das Glas Wasser stellte er neben sich und holte einen kleinen Löffel hervor, auf den er ein paar Tropfen des Medikaments träufelte.
»Mund auf«, sagte er und war mit dem Löffel bereits in Wartestellung.
Ich hob
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