Türkisgrüner Winter (German Edition)
war derjenige, mit dem du geschrieben hast.«
Seine Worte hallten mir im Kopf wider, ergaben jedoch keinen Sinn.
Ich runzelte die Stirn.
»Wovon sprichst du?«
Er antwortete verzögert. »Die E-Mails«, sagte er. »Das war ich … Luca .«
Mein Gesicht legte sich mehr und mehr in Falten. Was redete er da? Warum kam er jetzt mit meinem privaten E-Mail-Verkehr an? Und warum behauptete er, Luca zu sein? So ein Quatsch. So ein Irrsinn.
»Elyas, mir ist wirklich nicht zum Scherzen zumute!«
Natürlich scherzte er. Er musste scherzen. Alles andere wäre unvorstellbar.
Mit einem todernsten Blick, der mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte, sah er mir in die Augen. »Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass es ein Scherz wäre, aber es ist leider keiner.«
Mit leicht geöffnetem Mund starrte ich ihn an.
Eine Weile herrschte einfach nur Stille in meinem Kopf. Es war, als hätte ich ein Brett vor die Stirn bekommen, und der Schlag war so fest, dass er meine Gedanken lähmte.
»S-S-Sekunde, Elyas«, stammelte ich und schüttelte den Kopf. »Du … du willst mir ernsthaft sagen, dass du Luca sein sollst?«
Elyas senkte den Kopf. »Es hat nie einen Luca gegeben. Er existiert nicht. Ein paar Wochen, nachdem wir uns wiederbegegnet sind, habe ich ihn erfunden.«
Ich starrte ihn immer noch an.
Krampfhaft versuchte ich mich zurückzuerinnern, an die Zeit, in der alles begonnen hatte. Die erste Mail kam nicht lange nach Alex‘ Umzug. Vielleicht einen Monat später.
Etwa zu der Zeit, als Elyas und ich uns nicht mehr ignorierten und er anfing mich anzugraben.
Mein Mund wurde trocken.
Das konnte nicht möglich sein.
Nein.
Das war bestimmt Zufall.
Ja, Zufall.
Tausend Gedanken strömten durch meinen Kopf, Erinnerungen an geschriebene Zeilen, private Gespräche. Intime Details aus meinem Leben, die ich Luca anvertraut hatte.
Die ich Elyas anvertraut hatte …
Ich schüttelte den Kopf. Immer und immer wieder schüttelte ich den Kopf.
Das konnte nicht sein. So gemein wäre selbst Elyas nicht, oder? Mich monatelang in falschem Vertrauen zu wiegen und mich so hereinzulegen? Nein, das würde Elyas niemals tun.
Außerdem waren die beiden zwei komplett unterschiedliche Menschen. Elyas war offen, provokant und selbstbewusst. Luca zurückhaltend und sensibel. Sie hatten nichts gemeinsam.
Die Bücher von Poe, die auf seinem Schreibtisch lagen …
Ich spürte, wie mir kalt und gleichzeitig warm wurde.
Der Musikgeschmack …
Fight Club …
»Ich war nur zweimal richtig verliebt. Es war ähnlich theatralisch wie bei dir. Die Erste erwiderte meine Gefühle ebenfalls nicht und bei der Zweiten kam nach acht Monaten Beziehung ans Tageslicht, dass sie ein Techtelmechtel mit meinem damaligen – und vor allem ehemaligen – besten Freund hatte.«
Luca.
»Aber du und Kevin wart doch so eng miteinander befreundet?«
»Kann man so sagen. Genau genommen bis zu dem Tag, an dem er sich dazu entschlossen hatte, meine damalige Freundin flach zu legen.«
Elyas.
Mir wurde schwindelig und meine Finger fühlten sich taub an.
Ich Idiot.
Wie hatte ich das nicht merken können?
» Weißt du, wie lange es gedauert hat, sie so weit zu bekommen? «, hallten mir seine Worte von vorhin durch den Kopf, die ich jenseits der Tür aufgeschnappt hatte.
Es war Absicht gewesen.
Berechnende Absicht.
Elyas hatte durch die E-Mails in Erfahrung gebracht, wie ich tickte. Hatte herausgefunden, was für ein Mensch ich war, damit er wusste, wie er agieren musste. Hatte mich auf die hinterhältigste Weise ausspioniert und sich Informationen erschlichen. Informationen, die ihm dabei halfen, mich rumzukriegen.
Ich war so dumm gewesen.
Es war alles eine Illusion.
Nicht echt.
Nur ein Spiel.
Ein Fake.
Ich fühlte mich, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Als würde ich den Halt verlieren, auf dem ich stand. Meine Glücksgefühle der letzten Tage: Alles vorbei. Mein eigenes kleines Märchen brach vor meinen Augen zusammen und verwandelte sich in einen Trümmerhaufen.
Langsam glitt mir die Brötchentüte aus den Fingern, fiel mit einem leisen und sich weit entfernt anhörenden Geräusch zu Boden.
Mein Magen verkrampfte sich, mir wurde übel. In meinem Kopf herrschte nichts als dumpfe Leere. Und dann spürte ich etwas in meiner Brust, das ich schon einmal gespürt hatte.
Es lag sieben Jahre zurück.
Ich wurde wieder zu dem sechzehnjährigen Mädchen, das Elyas auf dem Pausenhof gegenüberstand.
Es war genau wie
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