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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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sich.
    Eine jede Mutter warnte ihr Kind davor, auf die Herdplatte zu fassen. Ich hatte selbst als Mutter gedient, die eigene Warnung ignoriert und dennoch hin gefasst. Jetzt konnte ich zusehen, wie ich mit den Verbrennungen klarkam.
    Es wurde dunkel um mich herum. Genau wusste ich nicht, wo ich mich befand. Die Stadt wirkte einerseits vertraut und doch irgendwie fremd auf mich. Orte, die ich schon hundertmal gesehen hatte, erweckten den Anschein, als sähe ich sie zum ersten Mal.
    Die nächtlichen Temperaturen hielten Einzug. Ich trug nur eine Jeans und einen normalen Pullover. Hatte nicht gestern der November noch so lau auf mich gewirkt? Jetzt schien er sich mit all seiner Kälte in meine Knochen einzunisten und mich von innen heraus mit seinem sonnenlosen Schatten zu erfüllen.
    Mein Handy klingelte. Ich zog die Hände in die Ärmel, schlang die Arme noch fester um den Bauch und lief weiter.
    Irgendwann am späten Abend stand ich plötzlich wieder vor meinem Wohnheim. Nur noch hinter ganz wenigen Fenstern brannte Licht. Meine Glieder waren steif vor Kälte und meine Finger fast nicht mehr spürbar. Am liebsten wäre ich nie wieder an diesen Ort zurückgekehrt. Doch es war mein Zuhause. Irgendwo musste ich die Nacht verbringen.
    Ich zwang mich die Stufen nach oben, holte den Schlüssel aus der Tasche und brauchte wegen meiner gefrorenen Hände vier Anläufe, um die Wohnungstür aufzusperren. Der Raum war verdunkelt und wirkte angenehm warm. Doch wie so oft, trog auch hier der Schein.
    Ich schaltete die kleine Nachttischlampe an und fand ein weißes Blatt Papier auf meinem Bett.
    Hey Süße,
    ich übernachte bei Nicolas.
    Alex hat vorhin angerufen. Du sollst dich bei ihr melden.
    Hab eine schöne Nacht, bis morgen!
    Eva
    Ich legte den Zettel wieder zurück. Für eine Weile blieb mein Blick auf dem Bett haften. Dann ging ich ins Badezimmer und schloss die Tür hinter mir. Ich schaltete den Wasserhahn an und hielt meine Finger darunter. Der lauwarme Strahl fühlte sich an wie tausend Nadelspitzen. Es dauerte, bis der Schmerz nachließ. Nach ein paar Minuten ging die bläuliche Farbe meiner Hände in ein Rot über und allmählich konnte ich wieder Leben darin spüren.
    Wenn man doch nur alles so leicht wieder heilen könnte.
    Ich trocknete die Hände mit einem Handtuch ab und zog mein Mobiltelefon aus der Hosentasche. Zwei Anrufe in Abwesenheit und eine SMS.
»Alex«
Ich habe schon ein paar Mal versucht, dich zu erreichen. Wo bist du denn? Wie geht’s dir? Möchtest du vielleicht mit mir reden?
Du kannst mich auch mitten in der Nacht anrufen. Jederzeit, Emely.
Ich hab dich lieb.
»Emely«
Alex, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mir geht es gut. Ich war nur ein bisschen spazieren. Jetzt liege ich im Bett und werde schlafen. Wir sehen uns die Tage, ja?
Ich hab dich auch lieb. Du bist ein Schatz. Gute Nacht.
    Ich steckte das Handy wieder ein und steuerte auf die geschlossene Badezimmertür zu. Doch kurz davor stoppte ich. Bewegte mich keinen Millimeter und starrte die Tür an. Dort draußen wartete mein Bett. Ich ging rückwärts, stützte mich mit dem Rücken an die geflieste Wand und schloss die Augen. Tief atmete ich durch. Doch anstatt die erhoffte Dunkelheit unter den Lidern zu finden, sah ich Elyas und mich, wie wir heute Morgen nebeneinander gelegen hatten. Uns streichelten. Uns küssten.
    Meine Knie gaben nach und ich rutschte mit dem Rücken die Wand hinunter. Als ich den Boden unter meinem Hintern spürte, umklammerte ich mit den Armen meine angewinkelten Beine. Mein Kopf sank auf die Knie. Und ich begann zu weinen.

KAPITEL 9
    Am Tag und in der Nacht
    Über meinem Ordner gebeugt, saß ich am Schreibtisch. Um mich herum lagen Unterlagen, Notizen, Zettel und Kugelschreiber in einem heillosen Durcheinander verteilt. Nur noch die letzte Prüfung morgen früh trennte mich vom Ende meines sechsten Semesters.
    Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen war ich jemand, der gerne lernte. Es war eine stumpfe Aufgabe: Wissen aneignen – und Wissen wiedergeben. Ganz simpel. Und vor allem half es einem dabei, Gedanken um ein anderes Thema kreisen zu lassen.
    »Findest du nicht, dass es langsam mal Zeit für eine Pause ist?«, fragte Alex. Ich sah von meinem Ordner auf. Meine beste Freundin saß im Schneidersitz auf meinem Bett und blätterte in einer Zeitschrift. Die langen Haare fielen in Locken über ihre Schultern und umrahmten ihr zierliches Gesicht. Die Züge um die Augen und die gerade Nase erinnerten mich

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