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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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verschwammen die Wörter vor meinen Augen. Jeder Buchstabe wurde unleserlich, verwässerte. Ich ließ das Gesicht in die Hände sinken und schluchzte. Manchmal fühlten sich Tränen an, als würde ich bluten.
    Die Tage hatten seit zwei Wochen den immer gleichen Ablauf. Morgens quälte ich mich todmüde aus dem Bett, schleppte mich von Vorlesung zu Vorlesung, manchmal sogar zu welchen, die ich gar nicht besuchen müsste. Danach verbrachte ich Stunden in der Bibliothek zu und verließ sie nicht, bevor sie geschlossen wurde. In meiner Wohnung, am Schreibtisch, ging das Lesen und Lernen dann weiter, bis meine Augen endgültig so überanstrengt waren, dass ich nichts mehr auf dem Papier erkennen konnte.
    Die Tage waren hart. Aber das Schlimmste erwartete mich in den Nächten. Wenn das ganze Haus ruhig und Evas leises Schnarchen das einzig hörbare Geräusch weit und breit war. Dann gab es nur noch mich. Mich ganz allein und die Gedanken, die den ganzen Tag darauf gewartet hatten, mich einzuholen.
    Noch immer war es ein unerträgliches Gefühl für mich, in diesem Bett zu liegen. Ich hatte schon zweimal die Bettwäsche gewechselt und trotzdem roch ich Elyas überall. Vollkommen absurd, das wusste ich, aber es war, als hätte sich sein Geruch in das Kissen, in die Decke und in die Matratze gebrannt. Wie ein Körperteil, das man längst verloren hatte, es aber immer noch spüren konnte.
    Seinen Pullover, genau wie die CD, hatte ich in dem hintersten Eck meines Kleiderschranks versteckt, und jede Nacht fing der Kampf aufs Neue an, ihn nicht sofort wieder von dort herauszuholen. So schön war die Erinnerung an die Wärme, die ich darin verspürt hatte. Aber die Wärme war weg. Würde nicht wiederkommen. Genauso gut hätte ich mir ein Messer in den Bauch rammen können.
    Was ich jedoch mit keinem Schrank der Welt aus meinem Kopf sperren konnte, war die Klaviermelodie. Sie klang immer noch ständig in meinen Ohren nach. Nur hörte sie sich jetzt ganz anders an. Tiefschwarz, melancholisch und traurig. Ich konnte nicht begreifen, wie ich beim Hören dieses Liedes jemals Glück empfunden hatte. Und noch weniger konnte ich begreifen, dass ich ernsthaft geglaubt hatte, er hätte es für mich geschrieben.
    Ich lag auf der Seite und zog die Beine noch näher unters Kinn. Kleine Regentropfen prasselten von außen gegen die Fensterscheibe und hallten durch den abgedunkelten Raum. Ich fühlte mich, als wäre ich aus Glas. Und in meinem Kopf kreiste die ewige Frage nach dem Warum.
    Warum hatte sich das alles wiederholen können?
    Warum war es möglich, dass ich erneut an demselben Punkt stand, an dem ich mich schon vor sieben Jahren befunden hatte? Bis aufs Blut hatte ich mir doch geschworen, so etwas nie wieder erleben zu müssen, und nun blickte ich zum zweiten Mal auf den gleichen riesengroßen Scherbenhaufen.
    Ich wusste nicht, wie ich die Teile jemals wieder zusammenfügen sollte. Sie waren ohnehin nur geklebt gewesen. Provisorisch aneinander geleimt, um ein halbwegs stabiles Gerüst abzugeben. Jetzt waren tausende neue Bruchstellen hinzugekommen und die Scherben zu winzig kleinen Splittern geworden.
    Warum musste ausgerechnet er der Mensch sein, der solche Gefühle in mir weckte? Warum musste er mein Richtiger, mein Einziger sein, wenn ich doch nicht dasselbe für ihn war?
    Elyas hatte nicht die geringste Ahnung, was er mit seinen Spielchen in mir anrichtete. Oder war es genau das, was er wollte? Rache für damals?
    Egal wie oft ich es schon versucht hatte zu realisieren, ich konnte immer noch nicht verinnerlichen, dass ich die ganze Zeit mit ihm geschrieben hatte, konnte nicht fassen, dass Elyas Luca gewesen war. Über vier Monate hinweg hatte ich in dem Glauben gelebt, ich würde mit einem mir unbekannten Menschen schreiben. Einem Menschen, der so meinte, was er schrieb, einem Menschen, dem ich fälschlicherweise Vertrauen geschenkt und dessen Fragen ich alle blauäugig beantwortet hatte. Wochenlang hatte ich mich in Angst vor einem Treffen gewogen und befürchtet, er könnte mich nicht mögen, wenn ich vor ihm stand. Tausend Gedanken hatte ich mir über ihn gemacht, hatte mich gefragt, was er wohl für eine Persönlichkeit war, wie er aussah, wie er sich bewegte und welchen Gesichtsausdruck er hatte, wenn er mit mir schrieb. Hatte mir ausgemalt, wie unsere erste Begegnung verlaufen würde und ob ich vor Schüchternheit überhaupt auch nur ein einziges Wort herausbekommen hätte.
    Und all das sollte umsonst gewesen sein, weil Luca

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