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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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niemals existiert hatte. Weil es in Wahrheit Elyas‘ Gesicht gewesen war, das sich die gesamte Zeit hinter dem anderen Bildschirm versteckt hatte. Mit einem Schlag hatte ich zwei Menschen, die mir wichtig waren, auf einmal verloren.
    Wie dämlich ich mir vorkam, wenn ich mich im Nachhinein an all meine Treffen mit Elyas erinnerte. Er hatte mir in die Augen gesehen und immer gewusst, dass er eine zweite Identität hatte und ich dumm genug war, darauf hereinzufallen.
    Aber woher hätte ich das wissen können? Es hätte schließlich jeder verfluchte Mensch aus ganz Berlin sein können. Elyas wäre der letzte gewesen, den ich mit Luca in Verbindung gebracht hätte. Wie auch? Als die Sache mit den E-Mails anfing, kannte ich von Elyas nicht viel mehr als seine blöden Sprüche. Mails wie die von Luca hätte ich ihm nicht im Entferntesten zugetraut. Weder vom Inhalt her noch von der Kaltblütigkeit, mich derart zu demütigen.
    Aber warum? Was hatte er denn davon? Es ergab alles keinen Sinn. Warum dieser riesige Aufwand? Hatte es ihn so sehr in seinem Ego gekränkt, dass ich ihn immer wieder abgewiesen hatte?
    »Ja, weil du denkst, dass du ihm egal bist und er dich nur verarschen wollte. Vielleicht ist das aber der falsche Ansatz. Vielleicht bist du ihm weder egal noch wollte er dich nur verarschen. Vielleicht hat er einfach nur einen dummen Fehler gemacht.« Alex‘ Worte hallten durch meinen Kopf. Doch wie könnte ein viermonatiger Briefverkehr nur ein dummer Fehler sein? Eine Mail, zwei Mails, vielleicht auch fünf Mails wären ein dummer Fehler – aber doch nicht Hunderte über so einen langen Zeitraum hinweg. Elyas hatte mich bewusst getäuscht. Zwischen dieser Tatsache und nur ein dummer Fehler lagen Welten.
    Ich presste die Arme an meine Brust und zog die Bettdecke um mich herum fest zusammen. Elyas war nicht der Mensch, den ich mir gewünscht hatte, in ihm zu sehen. Er war genau der, für den ich ihn am Anfang gehalten hatte.
    Jedes Mal, wenn in den vergangenen vierzehn Tagen mein Handy geklingelt oder es an der Tür geklopft hatte, war ich in Schweiß ausgebrochen. Mein allererster Gedanke war immer: Elyas. Egal wann, egal wo, selbst wenn jemand hinter mir meinen Namen rief, die erste Person, an die ich dachte, war er. Doch er war es nie gewesen. Kein einziges Mal. Und sobald ich das in jenen Momenten realisiert hatte und die anfängliche Panik von mir abgefallen war, war die Angst durch etwas anderes ersetzt worden: Enttäuschung. Irgendwo in meinem tiefsten Inneren hoffte ich Idiot tatsächlich, er wäre es doch.
    Und genau diese allererste Reaktion, dass mein Herz für einige Sekunden aussetzte und meine Körpertemperatur um das Doppelte anstieg, überkam mich auch jetzt, als mitten in der Nacht mein Handy vibrierte. Es lag auf dem Nachtschrank. Das Display leuchtete auf. Ein Anruf.
    Als ich mit den Fingern danach tastete, zitterten sie bereits. Ich nahm das kleine Gerät zu mir ins Bett und sah auf das Wort, das mir dort angezeigt wurde.
    »Unbekannt«
    Wer rief mich um diese Uhrzeit mit unterdrückter Rufnummer an?
    Immer wieder blinkte mein Handy auf.
    »Unbekannt«
    Mein Daumen verweilte auf der Taste, mit der ich den Anruf entgegennehmen könnte. Was, wenn es doch Elyas war? Seine Stimme zu hören würde ich nicht aushalten. Nein, ich wollte sie nicht hören. Aber was, wenn der Anrufer jemand komplett anderes war? Vielleicht Alex oder meine Eltern. Womöglich war wieder etwas passiert? Ein Unfall?
    Ich atmete viel zu hastig ein und drückte die Taste nach unten. Mit geschlossenen Augen hielt ich mir das Handy ans Ohr.
    »Hallo?«, flüsterte ich.
    Stille.
    Meine Hand verkrampfte sich.
    »Hallo? Wer ist denn da?«, wiederholte ich.
    Nichts. Keine Antwort. Nicht einmal das leiseste Geräusch.
    Ich nahm das Handy vom Ohr, sah auf das Display. Der Anruf war aktiv und auch der Netzempfang war gut.
    »Hallo?«, fragte ich. »Wer ist denn dran?«
    Kurz darauf raschelte es in der Leitung und die Verbindung wurde beendet. Doch in der letzten Sekunde, bevor die Taste vom Anrufer gedrückt worden war, hatte ich noch ein Geräusch gehört. Ganz leise. Kaum vernehmbar. Jemand hatte geatmet. Ein Atmen, das ich unter Tausenden erkannt hätte.
    Das Handy immer noch haltend, starrte ich in die Dunkelheit. Jeder Muskel meines Körpers war wie versteinert.
    Elyas.

KAPITEL 10
    Am See
    Zugegeben, Alex hatte mich mit ihren mehrmaligen Überredungsversuchen, dass ich in Berlin bleiben und nicht nach Hause fahren sollte, doch

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