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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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fast auf seiner Höhe, als der Mann – zu ihrer großen Überraschung und Erleichterung – den Knüppel gegen den Türsturz über seinem Kopf schlug und mit rauer Stimme ihren Namen zu skandieren begann. Sein Kumpan stimmte mit ein, und dann folgte jede einzelne der Frauen seinem Beispiel.
    »SA-RAH! SA-RAH! SA-RAH!«
    Das ganze Viertel schien nun in Aufruhr zu geraten, als würden die Holzbalken der verfallenen Häuser zum Leben erweckt.
    »SA-RAH! SA-RAH! SA-RAH!«
    Der Knüppel gab weiterhin den Rhythmus vor, und immer mehr Leute strömten aus den Häusern und in die Gasse – viel mehr Menschen, als Sarah für möglich gehalten hätte. Fensterläden flogen auf und etliche Bewohner steckten die Köpfe aus den scheibenlosen Rahmen. Sarah blieb nichts anderes übrig, als den Kopf zu senken und weiterzugehen.
    »SA-RAH! SA-RAH! SA-RAH!«, drangen nun Rufe aus allen Richtungen, und die Menschen stimmten in den Rhythmus des Knüppels ein und schlugen mit Metallbechern – oder was sie sonst gerade in die Finger bekommen konnten – scheppernd gegen Mauern, Fensterbänke und Türrahmen. Das Ganze erinnerte Sarah an einen Gefängnisaufruhr, der so laut war, dass die Ziegel auf den Dächern von dem eindringlichen Rhythmus zu vibrieren begannen.
    Immer noch von Panik erfüllt, lief Sarah weiter, bemerkte nun aber viele lächelnde Gesichter, die sie voller Verwunderung betrachteten. Von Krankheiten geschwächte alte Männer und verhärmte Frauen – verbrauchte Menschen, die die Kolonie zum alten Eisen geworfen hatte – jubelten ihr zu, riefen voller Freude ihren Namen.
    »SA-RAH! SA-RAH! SA-RAH!«
    Viele Münder mit abgebrochenen und schwarzen Zahnstummeln, die einstimmig brüllten; lächelnde, wilde und manchmal grotesk verzerrte Gesichter, die sie jedoch ausnahmslos mit einem Ausdruck der Bewunderung und sogar der Zuneigung ansahen.
    Die Leute versammelten sich nun entlang des Wegs; Sarah konnte einfach nicht fassen, wie viele Menschen die Gasse säumten. Irgendjemand – sie sah nicht, wer – drückte ihr ein verfärbtes Blatt Papier in die Hand. Sarah warf einen Blick darauf. Es handelte sich um eine ungelenke Radierung auf grobem Papier, die Sorte von Flugblättern, die die Widerstandsbewegung an die Leute in den Rookeries verteilte. Sarah hatte schon zuvor ähnliche Exemplare gesehen.
    Doch dieses hier sorgte dafür, dass ihr Herzschlag für eine Sekunde aussetzte. Die größte Abbildung, in der Mitte des Blatt Papiers, zeigte sie selbst, in fast identischer Bekleidung, wenn auch ein paar Jahre jünger. Ihr ängstliches Gesicht schaute melodramatisch zur Seite, als würde sie verfolgt – die Ähnlichkeit war nicht zu leugnen. Das erklärte also, wieso man sie erkannt hatte: Dieses Bild und natürlich die Gerüchte, die sich wahrscheinlich wie ein Lauffeuer durch die Kolonie verbreitet hatten – die Tatsache, dass die Styx sie zurückgebracht hatten. Auf dem Flugblatt befanden sich noch vier weitere Abbildungen, kleinere, ähnlich stilisierte Medaillons in jeder Ecke des Blatts, doch nun war nicht der geeignete Moment, sie in Ruhe zu betrachten.
    Sarah faltete das Papier und holte tief Luft. Offenbar gab es keinen Grund zur Sorge; daher hob sie den Kopf, legte sich das Tuch um die Schultern und setzte ihren Weg durch die Gasse fort, an deren Rändern sich die Menschenmassen drängten. Sie nahm keine Notiz von ihnen, schaute weder nach links noch nach rechts und ging einfach unbeirrt weiter, während das Getöse um sie herum immer stärker anschwoll. Die bewundernden Pfiffe, Jubelschreie und Sprechchöre – »SA-RAH! SA-RAH! SA-RAH!« – drangen bis an die Höhlendecke, wurden von dort zurück auf den Boden reflektiert und mischten sich mit dem Tumult.
    Endlich erreichte Sarah den schmalen Hohlweg, der auf der anderen Seite aus den Rookeries herausführte. Ohne sich noch einmal umzuschauen, ging sie weiter und ließ die Menge hinter sich. Doch die Rufe klangen ihr weiterhin in den Ohren und der scheppernde Trommelrhythmus hallte dröhnend von den Felswänden.
    Als sie nach einer Weile die breiteren Straßen vor sich sah, die von den Häusern wohlhabenderer Kolonisten gesäumt waren, blieb Sarah stehen, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie verspürte ein Schwindelgefühl, während sie versuchte, das Geschehen zu verarbeiten – sie konnte einfach nicht glauben, dass all diese Leute, denen sie noch nie zuvor begegnet war, sie erkannt hatten und ihr solch eine grenzenlose Verehrung entgegenbrachten. Schließlich waren

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