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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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spürten die feinen Wassertropfen auf ihren Gesichtern, obwohl sie noch ziemlich weit vom Ufer entfernt waren.
    »He! Seht mal da!« Cal zeigte in eine Richtung.
    Ein etwa zwanzig Meter langer Landungssteg ragte in den Fluss hinein. Er bestand aus rostigen Metallträgern, die grob und handgeschmiedet wirkten. Obwohl der Steg keinen allzu vertrauenswürdigen Eindruck machte, erwies er sich als ziemlich solide, und die Jungen gingen ohne Zögern bis zum Ende des Stegs, wo sich eine kreisrunde Plattform mit einem Geländer aus ungleichmäßig geformten Metallstangen befand.
    Als das Licht ihrer Leuchtkugeln, das nur knapp bis ans Ufer des Stroms reichte, die weißen Schaumkronen auf der Oberfläche des reißenden schwarzen Flusses zum Glitzern brachte, spielte den Jungen ihr Gehirn einen Streich und vermittelte ihnen das Gefühl, sie würden sich rasend schnell fortbewegen. Gelegentlich spritzte Wasser bis zu ihnen hoch, wenn die durch den Graben schießenden Fluten gegen die Metallstreben unter der Plattform klatschten.
    Cal beugte sich weit über das Geländer und schaute über den Fluss.
    »Ich kann das andere Ufer nicht erkennen und auch keine …«, setzte er an.
    »Pass auf«, unterbrach Will ihn warnend. »Fall nicht rein.«
    »… keine Möglichkeit, den Fluss zu überqueren«, beendete Cal seinen Satz.
    »Nein, kommt nicht infrage!«, protestierte Chester sofort. »Keine zehn Pferde kriegen mich da rein. Die Strömung sieht mörderisch aus.«
    Weder Will noch Cal widersprachen, während sie reglos dastanden und die warme Gischt auf ihrer Haut genossen.
    Will schloss die Augen und hörte auf das Rauschen des Wassers. Sein gelassener Gesichtsausdruck verriet nichts von seinen widerstreitenden Gefühlen. Etwas drängte ihn, den Fluss zu überqueren – auch wenn sie überhaupt nicht wussten, wie tief er war oder was sie auf der anderen Seite erwartete –, nur um weiterzukommen und nicht umzukehren.
    Andererseits hatten sie nicht die geringste Ahnung, wohin sie marschierten, und es gab auch keinen bestimmten Ort, den sie unbedingt erreichen mussten. Jetzt in diesem Moment befanden sie sich weit im Erdmantel, wahrscheinlich tiefer als jemals ein Übergrundler gekommen war. Und warum das Ganze? Wegen seines Vaters, der nach allem, was er wusste, vermutlich tot war. So schwer ihm der Gedanke auch fiel, aber er musste die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass er Cals, Chesters und seine eigene Zeit damit verschwendete, einem Phantom nachzujagen.
    Will spürte, wie ihm eine leichte Brise durch die Haare fuhr, und öffnete die Augen. Er musterte seinen Freund Chester und seinen Bruder Cal und bemerkte, wie gebannt sie auf den unterirdischen Fluss vor ihnen starrten. Keinen von beiden hatte er je so gesehen – so lebendig wie in diesem Moment. Trotz aller Entbehrungen, die sie durchgemacht hatten, wirkten sie glücklich. Plötzlich fielen alle Zweifel von ihm ab, und er fühlte sich wieder Herr der Lage. Er wusste, dass all die Strapazen sich lohnen würden.
    »Wir werden den Fluss nicht überqueren«, verkündete er. »Lasst uns einfach zu den Bahngleisen zurückgehen.«
    »Okay«, erwiderten Chester und Cal fast einstimmig.
    »Gut. Das wäre dann beschlossen«, sagte Will und nickte sich selbst aufmunternd zu, während sie sich umdrehten und Seite an Seite über den Landungssteg zum Ufer zurückkehrten.

7
    Sarah schlenderte unauffällig über die High Street, scheinbar ohne große Eile. Sie konnte es sich nicht erklären, aber die Rückkehr an den Ort, wo sie zum ersten Mal an die Erdoberfläche gekommen war, hatte etwas zutiefst Beruhigendes.
    Es schien, als würde sie sich durch die erneute Begegnung bestätigen wollen, dass das Schreckgespenst, vor dem sie vor so langer Zeit geflohen war – die tief in der Erde verborgene Kolonie –, tatsächlich existierte. In den vergangenen Jahren hatte es mehrfach Situationen gegeben, in denen sie sich gefragt hatte, ob sie sich das Ganze nicht vielleicht einbildete …
    Inzwischen war es kurz nach sieben, und das eher langweilige viktorianische Gebäude, das sich als das Heimatmuseum der Gemeinde Highfield bezeichnete, lag dunkel vor ihr. Nicht weit vom Museum entfernt stellte sie überrascht fest, dass die Gebrüder Clarke ihren Gemüseladen anscheinend aufgegeben hatten. Die in einem süßlichen Maigrün lackierten Fensterläden waren dicht verschlossen – offensichtlich schon eine ganze Weile, wie die dicke Schicht darauf geklebter Plakate bezeugte, von denen die

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